Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB

  • Lektion 5

    • Berücksichtigung von Umwelt- und Naturschutz sowie sozialer Aspekte

      Windkraftanlagenstandorte sind, was die Belange des Naturschutzes und Beeinträchtigung des Menschen angeht, sorgfältig zu prüfen. Besonders kontrovers werden Waldstandorte gesehen, wenn ein neuer Anlagenstandort den Verlust von Wald verursacht. Im Gegenzug bieten Waldkuppen im Mittelgebirgsraum oder Höhenzüge häufig eine sehr gute Windhöffigkeit.

      Folgende Aspekte gilt es zu berücksichtigen: Nistkolonien, Vogelrastkorridore, Zugkorridore, kollisionsgefährdete Vogelarten wie beispielsweise der Rotmilan.

      Windkraftanlagen können an Naturschutzbelangen angepasst werden. Dazu zählt das Abschalten der Anlagen zu Fledermausflugzeiten in der Abenddämmerung, bei Vogelzug, Vogelrast oder typischen Jagdzeiten. Die Kollisionsverhinderung erfolgt über Kameras oder Radar. Ein Mindestabstand von 500 m zu bekannten Raubvogelnestern ist einzuhalten.

      Die folgenden Aspekte müssen bei der Prüfung der Umwelt- bzw. Naturverträglichkeit Berücksichtigung finden:
      (Es handelt sich um eine aus aktuellen Datenquellen selbst zusammengestellte Liste, Quellen: BMUV 2022; Rueter 2021; Bundesverband Windenergie 2021, 2024; Rudolph, Plappert, Vollmer 2019; Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz 2020, dpa factchecking 19.06.2024; Scherhaufer et al. 2020))

      Infraschall ist ein Schall, dessen Frequenz unterhalb der menschlichen Hörfläche (also unterhalb von 20 Hz) liegt und der bei dauerhafter Einwirkung für den Menschen gesundheitsschädlich sein kann.

      Windenergieanlagen erzeugen Infraschall, allerdings in so geringer Stärke, dass laut Studien und Messungen von mehreren staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren keine gesundheitliche Gefährdung für Menschen besteht. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) hat in einer Langzeitmessung bei WEAs mit 2-3 MW Leistung und 140 m Nabenhöhe gezeigt, dass Infraschall selbst bei einer Entfernung von 200 m zum Windrad deutlich unter der Hör- und Wahrnehmungsschwelle liegen (vgl.: Bundesverband Windenergie 2021).

      Der Schattenwurf (auch Schlagschatten genannt) durch Windenergieanlagen auf (bestehende) Wohnhäuser sollte jeweils nicht mehr als 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag betragen. Durch Abstandsregelungen zu Siedlungsgebieten und Simulationen des Schattenwurfs eines Anlagenstandortes kann die Situation im Vorfeld einer Anlagengenehmigung geprüft werden (vgl.: Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz 2020).

      Die Vereisung der Rotoren im Winter und das Herabfallen von Eisstücken kann in Form von Risikoabschätzungen bei der Anlagenplanung berücksichtigt werden. Es können Sperrungen um die Windkraftanlage erfolgen.

      Rotorflächen werden heute mit matten, nicht so stark reflektierenden Farben gestrichen. Deshalb sind periodische Lichtreflexionen an den Rotorblättern kein relevantes Thema mehr.

      Seit 2023 besteht die Pflicht die, vor allem wegen des Flugverkehrs installierten, roten Blinklichter auf Windkraftanlagen auf ein bedarfsgerechtes Minimum zu begrenzen. Der Begriff dafür ist bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung (BNK). Mit der neuen Regelungstechnik blinken die Windräder nachts nicht mehr durchgehend, sondern nur noch, wenn sich ein Luftfahrzeug nähert. Dies ist durch ein Transponderempfängermodul, das den Luftraum in einem Radius von rund 10 Kilometern beobachtet, möglich. Ortet dieses System ein Flugzeug, das sich bis auf vier Kilometer genähert hat und tiefer als 600 Meter fliegt, springen die Lichter an den Windrädern an. Auf diesem Weg kann die nächtliche Beleuchtung um bis zu 95 % reduziert werden, so dass optische Störungen für Mensch und Natur deutlich minimiert werden (vgl.: Fachagentur Wind und Solar 2024).

      Gefährdet sind segelnde Greifvogelarten wie z.B. der Rotmilan, Storch oder große Wasservögel. Die Liste kollisionsgefährdeter Brutvogelarten mit Prüfbereichen nach §45b Bundesnaturschutzgesetz wird mit in Genehmigungsverfahren herangezogen. Zur Versachlichung der Diskussion ist zu berücksichtigen: Insekten- und Vogelsterben haben auch gravierende Ursachen in anderen Bereichen, (Pestizide, Verkehr, Strommasten).

      Kritiker*innen bezeichnen Windkraftanlagen als Verspargelung der Landschaft. Menschen stören sich an der steigenden Anzahl von Anlagenstandorten im Spazier-/Freizeitbereich oder Nähe von Wohnsiedlungen. Es sei dahingestellt, ob Strom-Überlandleitungen, Flughafenschneisen oder Autobahntrassen ästhetisch besser zu beurteilen sind. Der Mensch wird mit der nötigen Infrastruktur für die Energiewende Kompromisse machen müssen.

      Getriebelose Windkraftanlagen benötigen die Seltene Erde Neodymium für deren eingebaute Magnete. Die spezifische Masse von Neodym- Magneten liegt zwischen 0,5 und 1t pro MW. Der Neodym-Gehalt beträgt im Magneten rund 30 %, daraus errechnet sich eine spezifische Masse von 0,15 bis 0,30 Tonnen Neodym pro MW (vgl.: Luidold 2013 in: Scherhaufer et al. 2020). Das Recycling der Magnete ist technisch möglich, geschlossene Stoffkreisläufe entstehen beim Repowering von Altanlagen.

      Die vor allem in den Rotorblättern zum Einsatz kommenden Verbundmaterialien (früher viel glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) und heute häufig carbonfaserverstärkter Verbundstoff (CFK) führen zu neuen Herausforderungen in der Entsorgung. Pyrolyseverfahren ermöglichen die Rückgewinnung von Carbonfasern, die Recyclingverfahren von Rotorblättern befinden sich gegenwärtig im Pilotstadium.

      Insbesondere der große Verbrauch von Betonen und Stahl bei dem Bau der Fundamente hat zu zahlreichen Entwicklungen geführt, die Materialeffizienz zu erhöhen. Eine durchschnittlichen Windenergieanlage mit fünf MW Leistung bedarf inklusive Turbine, Turm und Fundament  zwischen 500 und 600 t Stahl (vgl.: dpa factchecking 2024 nach Bundesverband Windenergie). Die Betonanteile in einer WKA liegen bei rund 430 kg je MW (vgl.: Scherhaufer et al 2020). Beton-Fundamente können beim Repowering wiedergenutzt oder aber recycelt werden. 

      Eine nennenswerte Material-sparende Entwicklung ist das Bionik-Verfahren Evolutionary Light Structure Engineering (ELISE®), bei dem in der Gründung von Offshore-Anlagen in einer neuen Bauweise (Vorbild Kieselalgen mit Verstrebungen) eine 48%ige Gewichtsersparnis erreicht wurde (vgl.: VDI Zentrum Ressourceneffizienz 2024).