Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB
Lektion 6
Wasserstoff in der Eisen- und Stahlindustrie
Die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) des Industriesektors entstehen
vor allem in den energieintensiven Branchen: Stahl, Chemie, Nichteisenmetalle,
Zement, Kalk, Glas, Papier und Zellstoff sowie Keramik. Dabei müssen die
folgenden THG-Emissionsquellen unterschieden werden:
Direkte energiebedingte THG-Emissionen:
aus der Verwendung von fossilen Brennstoffen z.B. Prozesswärme, Dampf, mechanische
Arbeit
Indirekte energiebedingte THG-Emissionen:
Erzeugung des verwendeten Stroms in einem Kohle- oder Erdgaskraftwerk
Prozessbedingte THG-Emissionen: entstehen
technologie- bzw. verfahrensbedingt durch den Einsatz von Rohstoffen (z.B. Koks bei
der Stahlherstellung; Kalkstein bei der Zement- und Kalkproduktion)
Bei der Stahlherstellung sind beispielsweise 32% der
CO2-Emissionen prozessbedingt. Die Industrie trägt in Deutschland zu 22% an den
THG-Emissionen bei. Stahl hat mit 28% bei den energieintensiven Branchen den
höchsten Anteil vor der Grundstoffchemie (19%) und der Zementindustrie (10%) (vgl.: Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien 2017).
Die Bedeutung von Wasserstoff in der Transformation der Stahlindustrie zu einer klimaneutralen Industrie - also der Dekarbonisierung durch den Wegfall von Koks und Kohle als Energieträger - soll beispielhaft erläutert werden. Wasserstoff dient bei der Dekarbonisierung der Verfahren als Reduktionsmittel im Hochofenprozess.
Zunächst zum Stahlherstellungsprozess im Allgemeinen:
Primärstahl wird bisher weltweit zu 70% über die Hochofen-Konverter-Route erzeugt.
Sekundärstahl wird aus Stahlschrott hergestellt, dabei wird der Schrott unter Einsatz von elektrischer Energie im Elektrolichtbogenofen eingeschmolzen.
Wichtig zu klären ist: woher kommen die CO2-Emissionen in der Eisen- und Stahlindustrie? Die wesentlichen CO2-Emissionen der Hochofen-Konverter-Route, also bei der Herstellung von Primärstahl, sind durch den prozessbedingten Einsatz von Kohlenstoff (Koks, hergestellt aus Kohle in der Kokerei) zur Reduzierung der Eisenerze bedingt. Reduktion bedeutet hier die Entfernung von Sauerstoff aus Eisenerz, das Koks dient hierbei als Reduktionsmittel. => Die CO2-Emission dieses klassischen Verfahrens liegt bei 1,5 bis 1,7 t CO2 pro t Rohstahl. Herstellung von grünem Stahl Deshalb werden in den nächsten Jahren die Eisen- und Stahlwerke in Deutschland ihre Verfahren auf die sogenannte Direktreduktions-Elektrolichtbogenofen-Route (DRI-EAF) umstellen.
Das Verfahren unterscheidet sich in der Rohstoffbehandlung: aus dem Eisenerz werden Eisenerzpellets/Stückerz hergestellt.
Der Hauptschmelzprozess erfolgt im Direktreduktions-Schachtofen (DRI), der sich von einem klassischen Hochofen unterscheidet. Es wird im DRI-Schachtofen bei rund 8000°C grüner Wasserstoff als Reduktionsmittel anstelle von Koks injiziert. Es entsteht als Produkt ein DRI-Eisenschwamm, der zusammen mit Stahlschrott im Elektrolichtbogenofen verarbeitet werden kann. Der Wasserstoffbedarf ist dabei sehr hoch.
=> Bei einer Produktion von 1t Stahl im DRI-Verfahren auf Wasserstoffbasis werden rund 600 Nm3 Wasserstoff benötigt. Die CO2-Emission kann dabei auf rund 25 bis 60 kg CO2/t Rohstahl gesenkt werden.
Zusätzlich kommt der Elektrolichtbogenofen zum Einsatz, in dem klimaneutraler Stahlschrott verarbeitet werden kann. Im Falle des Einsatzes eines Stahlkonverters können aus den Konvertergasen chemische Produkte hergestellt werden (Smart Carbon Usage).
Potential von Grünem Wasserstoff für die energieintensiven Branchen
Laut Berechnung der Wirtschaftsvereinigung Stahl lassen sich
pro Tonne eingesetztem klimaneutralen Wasserstoff im Vergleich zu anderen
Sektoren am meisten CO2 einsparen, nämlich 28t CO2. Im Vergleich dazu
reduziert eine Tonne Wasserstoff bei der Ammoniak-/Methanolsynthese 10t CO2,
eine Tonne Wasserstoff spart 5t CO2 bei synthetischen Kraftstoffen, eine
Tonne Wasserstoff spart 17t CO2 bei Brennstoffzelleneinsatz und 11t CO2 bei
einer Gebäudeheizung (Erdgas) ein (Berechnungen der WV Stahl, unter Einholung
einer Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und
Energietechnik UMSICHT).
Die milliardenschweren Investitionen in die neuen Schachtöfen
und Herstellung von Eisenerzpellets erfolgt in den Hüttenwerken in Deutschland
unter Einwerbung von massiven Fördermitteln der EU bzw. der Bundesregierung. Es ist eine der gewaltigsten
Anstrengungen im einer der CO2-intensivsten Industriezweige in Deutschland.