Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB

  • Lektion 2

    • Historie der Nachhaltigen Entwicklung

      Die Erneuerbaren Energien waren in der Menschheitsgeschichte Jahrtausende lang die lebenserhaltenden Energieträger.

       

      Wasserkraft war bereits vor 5.000 Jahren im Einsatz, während der industriellen Revolution zählte Wasserkraft zu den wichtigsten Grundpfeilern der Energieerzeugung. Windmühlen dienten dem mechanischen Antrieb (Papier-, Getreidemühlen), Holz diente vor allem als Brennholz und die aus Holz veredelte Holzkohle ermöglichte den Betrieb von Schmelzöfen.

      Der ursprünglich ganz Deutschland bedeckende Wald wurde mit dem steigenden Holzbedarf immer weiter gerodet. Das hat heute sichtbare Folgelandschaften geprägt, wie z.B. die Lüneburger Heide. Waldrodung diente in diesem Fall der Energieversorgung der Salzsiedereien. Aber auch der Haus-, Schloss- und Schiffbau forderte den immer stärkeren Einschlag der Urwälder.
      Vor diesem Hintergrund der zunehmenden Holzknappheit wurde der Begriff Nachhaltigkeit 1713 erstmals von dem Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) geprägt:

      Zitat

      „Wird derhalben die gröste Kunst / Wissenschafft / Fleiß / und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane [solche] Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weil es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse [Sein] nicht bleiben mag.“   

      Sylvicultura Oeconomica (1713), S. 105–106

    • Weitere Meilensteine

      Der Begriff Nachhaltigkeit und seine Bedeutung wurde von weiteren Ereignissen geprägt.

      Die Veröffentlichung des Buches von Rachel Carson „Silent Spring“ (deutsch: „Der stumme Frühling“, Carson, 1962) hat mit der Beschreibung der Pestizid-Folgewirkungen auf Vögel einen frühen wichtigen interdisziplinären Beitrag für die Umweltwissenschaften geleistet. Ein bedeutender Meilenstein ist auch die 10 Jahre später veröffentliche Studie „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ (The Limits to Growth. A Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind). Sie wurde 1972 am Massachusetts Institute of Technology im Auftrag des Club of Rome erarbeitet. Bis heute werden auf der Grundlage der Computersimulation World3-Modell die Wechselwirkungen zwischen der Bevölkerung, industriellem Wachstum, Nahrungsmittelproduktion und deren Einfluss auf mögliche Grenzen in Ökosystemen der Erde zu erforscht (Earth4All, 2022) um Erkenntnisse der Transformation der Ressourcenwirtschaft auf ein nachhaltiges Niveau zu gewinnen.

      Die Veröffentlichung des sogenannten Brundtland-Berichtes „Unsere gemeinsame Zukunft“ (1987), des Berichts der World Commission on Environment and Development, ist der Terminus Nachhaltige Entwicklung präzisiert worden: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs”. Mit diesem klaren Bekenntnis wurden die 1980er und vor allem 1990er Jahre zu einem wichtigen Jahrzehnt der institutionellen und politischen Verankerung von Nachhaltigkeitszielen. Besonders bedeutsam dabei war der Erdgipfel von Rio: hier wurden 1992 sechs Dokumente zu den wichtigsten Aktionsfeldern einer globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik verabschiedet: Rio-Deklaration, Wald-Deklaration, Klimarahmenkonvention, Konvention über die biologische Vielfalt, Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation, Agenda 21.

      Als Folge der Konferenz von Rio wurden Nachhaltigkeitsmodelle aufgestellt, beginnend mit dem Nachhaltigkeitsdreieck (1994) und dem breit bekannten Drei-Säulen-Modell, die sich auf die gleichrangigen drei Dimensionen: Ökologie, Ökonomie und Soziales beziehen. "Ein-Säulen“-Konzepte enthalten den Vorrang für eine Dimension (meist der Ökologie), dieses wird als starke Nachhaltigkeit bezeichnet. Im Gegensatz dazu wird unter „schwacher Nachhaltigkeit“ verstanden, dass "natürliche Ressourcen durch Human- und Sachkapital ersetzt werden können. In diesem Sinne wäre ein System nachhaltig, solange das Gesamtkapital (bestehend aus natürlichen Ressourcen, Human- und Sachkapital) gleichbleibt oder wächst“ (Zitat: Aachener Stiftung Kathy Beys, Lexikon der Nachhaltigkeit). Auch unter der Kritik an den bisherigen Modellen entstand 2001 das Integrative Konzept der Nachhaltigkeit durch eine Arbeitsgruppe der Helmholtz-Gemeinschaft am KIT, dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS).

      Die Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 2000 die acht Millenium Developments Goals (MDG´s) mit einer Zielsetzung für 2015. Die Fortsetzung ab 2015 und aktuell in der Umsetzung ist die Agenda 2030 mit dem 17 Sustainable Development Goals (SDG´s). In Deutschland wurde 2000 der Rat für Nachhaltige Entwicklung eingerichtet, dieser berät die Bundesregierung und hat u.a. 2011 den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) und 2016 ein bundesweites Netzwerk von Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) geschaffen. Der DNK ist eine wichtige Grundlage für die Europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), die über die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) umgesetzt wird.

      Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen wurde 2009 am Stockholm Resilience Center entwickelt und 2015 und 2023 aktualisiert. Es handelt sich um quantitative Grenzen von Teilbereichen der menschlichen Zivilisation: Klimawandel, Biosphäre, Süßwasser, Landnutzung, biogeochemische Stoffkreisläufe, neuartige Substanzen, Luftverschmutzung, Ozeanversauerung, Ozonschicht. Ergebnis: bei sechs von neun definierten Bereichen, die für den Erhalt der menschlichen Existenz wichtig sind, sind die Grenzen schon überschritten (Richardson et al. 2023).


      (Quelle: Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (2024): Planetare Grenzen – Ein sicherer Handlungsraum für die Menschheit, URL: https://www.pik-potsdam.de/de/produkte/infothek/planetare-grenzen [03.05.2024], Lizenz: CC-BY 4.0, Daten aus: Richardson et al. (2023), Science Advances))


      Nicht im Bewusstsein ist, dass der Mensch mit seiner Energiewirtschaft über Jahrtausende in das System Erde integriert war, auch 1. Solarzeitalter genannt. Mit der industriellen Revolution verdrängte die verfügbare fossile Energie (Kohle, Koks, Erdöl) alle bisher genutzten erneuerbaren Energieressourcen. 

      Ende 2023 verkündete Fatih Birol, der Chef der Internationalen Energieagentur, in der "Financial Times: "Wir erleben den Anfang vom Ende der Ära der fossilen Brennstoffe und wir müssen uns auf die nächste Ära vorbereiten". 

      Dieses unterstreicht auch der sogenannte UAE-Konsens (UAE = United Arab Emirates). Auf der Schlusserklärung der 28. UN-Weltklimakonferenz in Dubai (COP28) bekennen sich die Teilnehmer erstmals zu einem „.. Übergang weg von fossilen Energien in den Energiesystemen“ (15.12.2024).