Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB

  • Lektion 2

    • Ausblick in die klimaneutrale Zukunft

      Der Übergang in die erneuerbare Energiewirtschaft führt neben der Energiewende und Verkehrswende unter anderem zu einer Transformation von Produktionsprozessen. Damit verbunden ist die Stromversorgung von Teilprozessen der Wirtschaft, die bisher mit Erdgas betrieben wurden oder die Nutzung von Wasserstoff als zukünftiger Hauptenergieträger. Eine zentrale Studie, die Zukunftsperspektiven für Deutschland Richtung klimaneutraler Zukunft aufzeigt ist die RESCUE-Studie des Umweltbundesamtes (vgl.: Purr, Günther, Lehmann, Nuss 2019). Sie zeigt in sechs Szenarien mögliche Lösungs- und Handlungsspielräume für Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität in Deutschland bis 2050.

      Die Energie-bedingte Klimaneutralität ist mit der sukzessiven Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien einfacher technisch umzusetzen. Die Energie-bedingte Klimaneutralität bedeutet, dass für die Produktion Nutzenergie, Energie für die Mobilität und Primärproduktion in Zukunft ausschließlich Erneuerbare Energie zum Einsatz kommen soll. Das ist vor allem bezogen auf die energieintensiven Industriezweige wie Stahl, Chemische Industrie, Zementwerke, Glas- und Keramik eine große Herausforderung. Die Transformation ist aber nicht unmöglich und ist ist technisch machbar, bedarf aber großer Veränderungen bei den Produktionsprozessen. Sie ist teilweise mit der Elektrifizierung verbunden, in anderen Bereichen können die Emissionen von Verbrennungsprozessen und Schmelzen erheblich reduziert werden. Die energiebedingten Emissionen machten im Jahr 2022 etwa 85% der deutschen ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen aus (vgl.: Umweltbundesamt 2024; vgl. Bild).


      (Quelle:©Umweltbundesamt (2024), URL:https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energiebedingte-emissionen#entwicklung-der-energiebedingten-treibhausgas-emissionen

      Ganz anders sieht es bei dem Ziel der Rohstoff-bedingten Klimaneutralität aus. Natürliche Rohstoffe setzen vor allem bei ihrer thermischen Behandlung CO2-Emissionen frei.

      Beispiel

      Ein Beispiel ist Kalkstein als Hauptrohstoff der Zementherstellung. Die Ursache ist der Kalzinier-Prozess. Als Resultat des Kalkbrennens (= Kalzinierung) entstehen Wasser, Calciumoxid und Kohlenstoffdioxid (CO2). Dadurch führt die klassische Zementproduktion auf der Basis von Kalkstein (CaCO3) unweigerlich zu CO2-Emissionen bei der thermischen Behandlung (Kalzinierung). Bei einem unveränderten Kalkherstellungs-Prozess bleibt nur die Möglichkeit, entstandenes CO2 technisch abzuscheiden. Das ist technisch aufwändig und teuer, aber nach gegenwärtigem Stand der Technik die einzig machbare Übergangslösung, die THG-Emissionen von Zementwerken herunterzudrücken. Technisch bieten sich zwei Möglichkeiten: 
      1. Die CO2-Abscheidung und anschließendes unterirdisches Verpressen (CCS, Carbon Capture and Sequestration) oder 
      2. Die Nutzung des CO2 als Rohstoff (CCU, Carbon Capture and Usage).
      Beide Prozesse werden bereits als Brückentechnologien eingesetzt. Im Folgekapitel zur Transformation der Zementindustrie wird beschrieben, wie die Emissionen bei aktuellen Zementwerken durch das Oxyfuel-Verfahren abgeschieden werden.

      Rohstoff-bedingte CO2-Emissionen durch Kalzinier Prozesse entstehen auch bei der Aluminiumherstellung aus Bauxitverarbeitung (Bauxit ist ein Aluminium-Roherz) und bei der Gipsherstellung. Eine erfolgreiche Strategie der Reduktion der Treibhausgase in diesem Bereich sind Aluminiumrecycling und Gipsrecycling, also das Schließen der Stoffkreisläufe. Die Gipsrecyclingquote steigt gegenwärtig in Deutschland stark an (vgl.: Bundesverband der Gipsindustrie 2024), es sind Anlagen neu in Betrieb gegangen, Ende 2024 befinden sich in Deutschland vier reine Gipsrecyclinganlagen in Betrieb. Sie verarbeiten rückgebaute Gipskartonplatten, also sauber rückgebaute Bauabfälle und ersetzen den durch die Schließung der Kohlekraftwerke entfallenen REA-Gips (der in der Rauchgasreinigung der Kohlekraftwerke entstandene ist). Aluminiumrecycling ist schon allein wegen der 95% Energie- und 90% CO2-Einsparung Stand der Technik, bedarf aber der Nutzung zentraler Aluminiumwerke für die Schmelze des Aluminiumschrotts.