Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB

  • Lektion 3

    • Stromgestehungskosten und Merit-Order Effekt

      Der gängigste Vergleichswert bei der Stromerzeugung sind die Stromgestehungskosten (engl. Levelized Costs of Electricity – LCOE).

      Stromgestehungskosten

      Die Stromgestehungskosten sind eine Maßeinheit, die die Kosten für die Errichtung und den jährlichen Betrieb einer Anlage ins Verhältnis zur Stromerzeugungsmenge der gesamten Lebensdauer der Anlage setzt.

      Neben den initial anfallenden Investitionskosten werden alle die über die Kalkulationsdauer anfallenden fixen und variablen Betriebskosten berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der jährlichen Stromerträge, für die die Leistungsminderung (Degradation) der Anlage eingerechnet wird, sowie dem kalkulatorischen Zinssatz (gewichteter Wert aus Eigen- und Fremdkapitalzinsen) ergeben sich die Stromgestehungskosten. Einfluss auf die LCOE haben die Investitionskosten, Betriebskosten, der Standort bzw. Einstrahlung, die Finanzierung und die Laufzeit der Anlage. Die Ergebnisse der Stromgestehungskosten (StGK) werden in der Einheit Euro/kWh oder Euro/MWh ausgewiesen. So liegen die StGK für PV-Anlagen zwischen 3,12 und 11,01 Cent/kWh. Erneuerbare Energieanlagen sind damit in der Stromerzeugung mittlerweile fossilen Kraftwerken häufig überlegen. Gasturbinen und Steinkohlekraftwerke verursachten laut Berechnung des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (vgl.: Fraunhofer ISE 2021) Kosten von 11 bis 29 Cent pro Kilowattstunde. Für PV-Freiflächenanlagen, die ab 2025 in Betrieb gehen, wurden laut Studie des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg im Auftrag des BMWK (2023) Stromgestehungskosten von knapp 7,2 bis 7,6 ct/kWh ermittelt.

      Berechnung der Stromgestehungskosten






      I0        Investitionsausgaben in Euro
      At     jährliche Gesamtkosten in Euro im Jahr t
              (= fixe + variable Betriebskosten)
              (+ Restwert/Entsorgung der Anlage)
      Mel  produzierte Strommenge im jeweiligen Jahr
              in kWh
      i       realer kalkulatorischer Zinssatz in %
      n      wirtschaftliche Nutzungsdauer in Jahren
      t      Jahr der Nutzungsperiode (1, 2, ...n)

    • Stromgestehungskosten berücksichtigen in ihrer ursprünglichen Berechnung nur die Kosten und Leistungen auf Ebene der Anlagen/Kraftwerke. Die entstehenden Kosten der Übertragung und der Stromverteilung werden dabei vernachlässigt, was von einigen Energieexperten kritisch betrachtet wird.


      Merit-Order-Effekt

      Die Erneuerbaren Energien drängen die fossilen Energien, unabhängig von rechtlichen Regelungen zur Stilllegung von fossilen Kraftwerken, rein ökonomisch betrachtet aus dem Markt. Dieser Effekt wird als Merit-Order-Effekt bezeichnet.

      Die Energiewirtschaft handelt rein wirtschaftlich in der Einsatzreihenfolge der stromproduzierenden Kraftwerke auf einem Stromhandelsplatz, um die wirtschaftlich optimale Stromversorgung zu gewährleisten. Die Merit-Order orientiert sich an den niedrigsten Grenzkosten, also der (Betriebs-) Kosten, die bei einem Kraftwerk für die letzte produzierte Megawattstunde anfallen. Die folgende Grafik zeigt am Beispiel 2022, dass bei einer geringen Einspeisung durch erneuerbare Energieträger deutlich höhere Strompreise auftreten als bei einer hohen EE-Einspeisung. Die erneuerbaren Energieträger verdrängen in diesen Fällen aufgrund ihrer geringen Grenzkosten Kraftwerke mit hohen Grenzkosten aus der Angebotskurve (Merit Order). Dadurch werden auch das preissetzende Gebot und somit der Strompreis tendenziell niedriger (Merit-Order-Effekt). (vgl.: Forschungsstelle für Energiewirtschaft (2024))

      (Grafik:©Forschungsstelle für Energiewirtschaft (2024): Entwicklung der Energie- und CO2-Rpeise, URL https://www.ffe.de/veroeffentlichungen/entwicklung-der-energie-und-co2-preise/)