Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB

  • Lektion 2

    • Material-/Rohstoffverbrauch von erneuerbaren Energieanlagen

      Auch wenn erneuerbare Energieanlagen grundsätzlich als nachhaltige Anlagetechnik einzuordnen sind, weil sie grüne Energie erzeugen, ist bei ihrer Produktion, ihrer Standortwahl, ihrem Betrieb und ihrer teilweisen Erneuerung (Repowering) bzw. endgültigen Entsorgung eine Umweltwirkung unvermeidbar. Beispielsweise verursacht der Neubau von Windkraftanlagen oder Wasserkraftwerken, z.B. auch verbunden mit dem Bau großer Staudämme, einen hohen Bedarf an Stahl und Beton. Deshalb bedarf es der tieferen Betrachtung dieser Aspekte. Erneuerbare Energieanlagen können langlebig und recycelbar gebaut werden. Es ist eine maximale Ressourcenschonung bei der Anlagenentwicklung anzustreben.

      Bedeutung Treibhausintensiver Baustoffe wie Zement und Stahl
      Pro Tonne Zement entsteht ein durchschnittliches Treibhausgaspotential von rund 600 kg CO2-e in Deutschland (vgl.: VDZ/IBU 2017). Die Decarbonisierungsstrategien in der Zementherstellung befinden sich in einem frühen Pilotstadium, ein wirklicher Durchbruch von technischen Alternativen ist - mit Stand 2024 - weltweit noch nicht erreicht.

      Neben der Brückentechnologie einer CO2-Abscheidung an Zementwerken und der CO2-Nutzung über Carbon Capture and Usage Verfahren oder Abscheidung und Lagerung über Carbon Capture and Storage wird an umweltschonenderen Produktionsalternativen geforscht. Dazu zählt der Zementersatz durch neuartige Bindemittel, die Recarbonatisierung durch CO2-Aufnahme in Beton, die ressourcenschonende Nutzung von Beton in Bauwerken und der Einsatz innovativer CO2-effizienter Zementarten (CEM II/C und CEM VI) (vgl.: VDZ 2020).

      Pro Tonne Stahl entstehen konventionell ein durchschnittliches Treibhausgaspotential von 1,5 bis 1,7t CO2. Die Ursache liegt überwiegend im Kokseinsatz bei der Hochofen-Konverter Route.
        

      Bei der Hochofen-Konverter-Route erfolgt im ersten Schritt im Hochofen die Reduktion von Eisenerz zu Roheisen durch das Reduktionsmittel Koks. Bereits im Hochofenprozess entsteht durch diese klassische Art der Eisenerzverhüttung sehr viel Kohlendioxid. Im zweiten Schritt erfolgt die Stahlerzeugung in einem Stahlkonverter. Im Stahlkonverter wird der im Roheisen enthaltene Kohlenstoff durch das sogenannte Frischen reduziert. Beim Frischen wird der flüssige Stahl mit Sauerstoff behandelt, der Kohlenstoff oxidiert und als CO und CO2 emittiert. Nach dem Hochofenprozess entstehen also im Stahlkonverter erneut Treibhausgase. Der Stahl wird durch diese Behandlung kohlenstoffarm und erhält eine hohe Reinheit. Durch den Ersatz des Energieträgers Koks durch Grünen Wasserstoff können die CO2-Emissionen maßgeblich reduziert werden.

      Die Stahlindustrie hat die Transformation zur Produktion von Grünem Stahl bereits eingeleitet. Der Umbau der Stahlwerke für die Nutzung von Grünem Wasserstoff für die Direktreduktion anstelle von Koks erfordert hohe Investitionen, da der Hochofen für die Nutzung von Wasserstoff nicht geeignet ist und durch einen Schachtofenanlage ersetzt werden muss. Hinzu kommen eine veränderte Vorbehandlung des Eisenerzes und die Nutzung von Elektrolichtbogenöfen.
    • Die durchschnittliche Lebensdauer von erneuerbare Energieanlagen liegt im folgenden Bereich:


      Windenergieanlagen erzeugen laut Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) je nach Modell und Alter schon innerhalb von 2,5 bis elf Monaten Betrieb die Energiemenge, die zu ihrer Herstellung erforderlich war, dieser Faktor wird energetische Amortisation genannt. Weil Windkraftanlagen im Durchschnitt etwa 25 Jahre laufen, erzeugen sie 40-mal mehr Energie, als für ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung nötig war.

    • Die folgende Tabelle zeigt den Materialeinsatz pro Energieeinheit (t/MW) bei Windkraftanlagen.


      Quelle: Ressourcenbedarf für den Ausbau der Windenergie an Land.
      Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000 – 070/23 (gekürzt, Durchschnittswerte)


      Materialeinsparung bei der Gründung einer Windkraftanlage –Bionisches Verfahren ELISE
      Das Evolutionary Light Structure Engineering (ELISE) ist ein bionisches Verfahren, zum Beispiel für die Produktion von Offshore-Windkraftfundamenten, die im Original bis zu 800 Tonnen wiegen und bis zu 40 Meter Höhe aufweisen. Für die Konstruktion dienen Radiolarien (=Strahlentierchen, gehören zum Plankton) als Vorbild. Ihr Skelett besteht aus Siliciumdioxid, in der Abbildung sind die an einen hohen Meeresdruck adaptierten Radiolarienformen erkennbar. Die Entwicklung erfolgte durch das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft in Bremerhaven sowie das Ingenieurbüro WeserWind. Genutzt wird eine Datenbank von über 120.000 Planktonorganismen. Es können durch die Anwendung des ELISE-Verfahrens bis zu 37% Material bei der Herstellung eines Tripods für eine Windkraftanlage eingespart werden. Die Entwicklungsmethode ELISE wurde inzwischen als VDI-Richtlinie 6224 Blatt 3 (09/2017) veröffentlicht und ist auf andere Produkte übertragbar.


      Bei Windkraftanlagen an Land werden beim Bau neuer Fundamente und beim Repowering zunehmend ressourcensparende Verfahren genutzt. Eine technische Lösung ist der Bau einer Flachgründung z.B. durch die Platzierung einer Weichschicht (EPS) unter der Mitte des Fundaments, damit die Kräfte der Windkraftanlage ringförmig in den Boden abgeleitet werden (vgl.: Lucas, CTE Wind Civil Engineering 2021). Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von Fertigbetonteilen, Holzbauweisen mit kleinen Einzelfundamenten (Hybridtürme) bzw. die Verwendung von hohen Anteilen von Recyclingbeton.