Kurs: Technik, Energie und Nachhaltigkeit | OnCourse UB

  • Lektion 3

    • Wasserkraft-Potenzial weltweit


      Relevante Werte und Berechnungen
      Die Energie, die sich aus einem Fließgewässer oder der Meeresströmung ziehen lässt, lässt sich grundsätzlich mit der folgenden Formel berechnen:


      Linienpotenzial eines Laufwassers (Fließgewässers)

      Je nach Abflusspotential der großen Flüsse in Deutschland (m3/s) kommt Ihnen eine entsprechende Bedeutung gemäß ihrer Strömungsgeschwindigkeit zu. 

      So steht an erster Stelle der Rhein: 2.330 m³/s, die Elbe: 700 m³/s, die Oder: 574 m³/s, die Weser: 300 m³/s, die Mosel: 290 m³/s, der Main: 195 m³/s und die Isar: 175 m³/s. 

      Das sogenannte Linienpotential wird ermittelt aus dem durchschnittlichen jährlichen Abflussvolumen der Fließgewässer und den vorhandenen Gefällen ohne Berücksichtigung der Fließverluste. Das Linienprofil beschreibt den maximalen Energievorrat eines Laufwassers. 


      Kraftwerksarten

      Die folgenden Kraftwerksarten werden unterschieden: 

      • Ein Laufwasserkraftwerk nutzt die verfügbare Wassermenge eines Flusses oder Bachs und nutzt die über Turbinen und Generatoren erzeugte Energie direkt zur Stromeinspeisung in das Netz. 
      • Speicherkraftwerke (=Talsperren) halten das Wasser in einem Stausee zurück. Es wird dann zu Zeiten höheren Strombedarfes durch die Turbinen geleitet.
      • Pumpspeicherkraftwerke sind eine Sonderform der Speicherkraftwerke. Hierbei wird Wasser in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt, um es bei Strombedarf nutzen zu können. Diese Speicher können „von jetzt-auf-gleich“ gestartet werden ( auch als Schwarzstartfähigkeit bezeichnet). Das bedeutet, es wird keine zusätzliche Energie benötigt, um das Kraftwerk auf seine volle Laufleistung zu bringen, wie es z.B. bei Kohlekraftwerken der Fall ist.
      • Meereskraftwerke: Gezeitenkraftwerke, Wellenkraftwerke, Meeresströmungskraftwerke.

      Diese werden in den weiteren Lektionen noch näher betrachtet.

      Umweltverträglichkeit von Wasserkraftwerken

      Wasserkraft ist eine saubere Technologie mit hoher Akzeptanz. Ihr Wirkungsgrad ist mit 85-95% sehr hoch. Es handelt sich um eine sehr ausgereifte und wenig störanfällige Technologie. Aber die stetige Verfügbarkeit von Wasserkraft ist in heute auch vorkommenden Trockenperioden nicht mehr selbstverständlich, deshalb kommen Pumpspeicherkraftwerken in der Energiewende eine besondere Bedeutung zu. 

      Die natürliche Ressource Wasser hat den großen Vorteil der Mehrfachnutzung für die Schifffahrt, Trinkwasserversorgung, die Fischzucht, die Kühlwassernutzung und die Energiegewinnung. Dieses setzt aber voraus, dass die menschengemachten Probleme der Extremwetterlagen mit stark beeinträchtigen Flussläufen nicht weiter zunehmen.

      Nachteile der Wasserkraftnutzung sind unter anderem die zum Teil hohen Investitionen beim Bau.

      Beispiel

      Die im Rahmen der Energiewende in Deutschland jüngst geplanten Pumpspeicher an Mosel (Trier) und Rhein (Heimbach) wurden wegen zu hohen finanziellen Risiken bisher nicht gebaut. Für heutige Anlagen mit einer Leistung zwischen 100 kW und 100 MW sind Investitionen für den Neubau von etwa 6.860 €/kW nötig (Quelle: VDEW). 

      Das größte Wasserkraftwerk in Deutschland (Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal) hat eine installierte Leistung von rund 1.060 MW und liegt in Thüringen. Das größte Laufwasserkraftwerk Deutschlands ist das Rheinkraftwerk Iffezheim in Baden-Württemberg. 6.900 der rund 7.200 Wasserkraftwerke in Deutschland arbeiten in einem Leistungsbereich von unter 1 MW und zählen zu den Kleinstwasserkraftwerken.


      Standorte und Flächen

      Ganz generell wirken Wasserkraftanlagen auf den Menschen und die Umwelt vor allem dann, wenn der Bau von Staudämmen oder Pumpspeicherbecken den Verlust von Siedlungsgebieten des Menschen (Zwangsumsiedlungen) oder von Waldflächen im Mittelgebirge zur Folge hat. 

      Berühmtes Beispiel in Europa ist das Anstauen des Reschensees in Südtirol im Jahr 1950, denen die Ortschaften Graun, Teile von Reschen und weitere kleine Ortschaften zum Opfer fielen. Insgesamt 677 ha, verbunden mit der Zwangsenteignung, Aus- und Umsiedlung von Bürgern. Das Kirchlein in Alt-Graun ragt heute als touristisches Wahrzeichen aus dem See. Eine Ausstellung vor Ort erinnert an die eher düstere Vergangenheit der Flutung der Ortschaften.


      Bild "Reschensee with Graun Church tower and boart.jpg" von Noclador auf wikimedia commons, Lizenz: CC-BY-SA 4.0

      Bei großen Staudammprojekten wie am Drei-Schluchten-Staudamm in China oder dem Bau des Itaipú-Staudammes in Brasilien/Paraguay sowie vielen Projekten weltweit wurde der starke Eingriff in die Landschaft durch den Menschen realisiert. Landschaften und Kleinklimaverhältnisse werden mit diesen Großprojekten unwiederbringlich verändert. Es gilt jedoch auch, die großen Vorteile der hohen und langfristigen Erzeugungspotentiale großer Wasserkraftanlagen abzuwägen. So erzeugt das Wasserkraftwerk am Itaipú-Staudamm mit einer Leistung von 14 GW so viel Elektrizität wie zehn frühere Atomkraftwerke in Summe.

      Handelt es sich um das Anstauen von grenzüberschreitenden Flussläufen, so hat es in der Vergangenheit und bis heute häufig Konflikte um die Wassernutzung zwischen den betroffenen Anrainerstaaten gegeben (z.B.: Nil, Jordan).

      Zusätzliche Flächenerschließungen für Pumpspeicher in bewaldeten Mittelgebirgshöhenlagen haben heute häufig eine geringe Akzeptanz, wenn ihr Bau das Abholzen von Waldgebieten und den Verlust von wertvollen Lebensräumen verursacht. So gab es beispielsweise ein Aus für die Planung eines Pumpspeicherkraftwerks im Hotzenwald/Schwarzwald, vor allem aus ökologischen Gründen. Neue Pumpspeicherkraftwerks-Standorte sind daher nicht einfach zu finden. 

    • Einfluss auf die Tierwelt

      Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Fließgewässer durch Wehre, Staugewässer und Schleusen sowie den eingebauten Turbinenanlagen in ihrer natürlichen Dynamik, vor allem der Fauna, gestört werden. Die Einbauten in Fließgewässer sind nicht immer mit Wasserkraftanlagen ausgestattet, sondern wurden auch aus Gründen des Hochwasserschutzes, der Gewässerregulierung, oder der Schiffbarmachung in die Gewässer integriert. Damit geht die Durchlässigkeit der Fließgewässer verloren und so können Wanderfischarten nicht mehr zu ihren Laich- oder Aufwuchs-Lebensräumen gelangen. 

      Ein bekanntes Beispiel ist die Wanderung der Lachse, die zur Fortpflanzung in großen Scharen aus dem Meer in die Oberläufe der Flüsse ziehen, um dort abzulaichen. Flussaufwärts wandernde Fischarten zu ihren Laichplätzen sind auch der Stör, Wasserneunauge, Barben, Barsche und Rotaugen. Umgekehrt wandern Fischarten flussabwärts zum Laichen ins Meer, dieses Verhalten hat etwa der Europäische Aal.

      Nach aktuellem EU-Recht (Europäische Wasserrahmenrichtlinie) müssen Flüsse bis 2027 für Fische und andere Lebewesen gänzlich durchgängig sein. Es ist also verpflichtend für alle EU-Mitgliedsstaaten, die Fischdurchlässigkeit an Neuanlagen wie an Altanlagen herzustellen. Dafür eignet sich der Bau von sogenannten Fischtreppen, sie werden in sehr unterschiedlichen technischen Varianten ausgeführt. Es handelt sich dabei um besondere Bauwerke wie z.B. Umgehungsgerinne, Raue Rampen, Technische Fischpässe, Blocksteinrampen oder Sohlgleiten wie auch Fischlifte oder Fischaufstiegsschnecken. Diese vermögen die Fischdurchlässigkeit zu verbessern bzw. möglichst ganz wiederherzustellen. Die Bauart kann sehr unterschiedlich ausfallen und verursacht nicht unerhebliche Kosten.



      Internationale und nationale Bedeutung der Wasserkraft

      China ist mit großem Abstand das Land mit der höchsten installierten Leistung (414 GW) weltweit, gefolgt von Brasilien (110 GW) und den USA (103 GW) (vgl.: Statista 2022). In Europa sind Norwegen, Frankreich, Schweden, Türkei und Italien die größten Erneuerbare Energie Produzenten auf der Basis von Wasserkraft. Deutschland profitiert unter anderem von den exportierten Überschüssen aus Norwegen.

      In Deutschland sind die technischen Potentiale der Wasserkraftnutzung weitestgehend ausgeschöpft. Hier gibt es rund 7.300 Wasserkraftanlagen (Stand Ende 2023), diese verfügen zusammen über eine installierte Leistung von etwa 5.600 Megawatt (MW). Der Anteil der Wasserkraft in Deutschland aus der Erzeugung in Lauf- und Speicherwasserkraftwerken sowie Erzeugung aus natürlichem Zufluss in Pumpspeicherkraftwerken betrug in 2023 19,5 Mrd. kWh, das entspricht rund 3,8% der Bruttostromerzeugung (vgl.: AG Energiebilanzen 12/2023). 

      Das technisch-ökologische Potenzial der Wasserkraftnutzung in Deutschland wird auf etwa 25 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr beziffert. Steigerungen sind im Wesentlichen an Altstandorten durch Leistungssteigerungen möglich. Der Schwerpunkt der Wasserkraftnutzung liegt in Deutschland in den abfluss- und gefällereichen Regionen der Mittelgebirge, der Voralpen und Alpen sowie an allen größeren Flüssen, 80% des erzeugten Wasserkraftstroms stammt aus Bayern und Baden-Württemberg.

      Betrachtet man aber das in den Meeren vorhandene bisher ungenutzte Potential, ist die internationale Bedeutung der Wasserkraft hoch.