Systemdenken und Nachhaltigkeit in Virtual Reality
Kurs: Systemdenken und Nachhaltigkeit in Virtual Reality | OnCourse UB
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Grundlagen systemischer Erkundungsarbeit als theoretische Vorstufe für die Übung in VR
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Lern-/ und Erkundungsziel von Lektion 2:
In dieser Lektion erfahren Sie die Grundlagen der systemischen Erkundungsarbeit und welchen Mehrwert die Verwendung für den Perspektivwechsel bietet.
„Erkunden beinhaltet die Haltung eines unbewerteten Finden wollens vom Unerwartetem. Ziel einer Erkundungsaufstellung ist es, erkenntnisleitende Thesen über ein System zu formulieren, die idealerweise überraschende Inhalte haben“ (Müller-Christ und Pijetlovic 2018, S. 24).
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Zu den weiteren Grundsätzen gehört es, dass Aufstellungen von Aufstellungsleitern angeleitet werden und dass sie herkömmlicherweise in einer Gruppengröße von etwa sechs bis 12 Personen stattfinden. In der Regel werden bei klassischen Aufstellungen Anliegen, d. h. eine Fragestellung oder ein Problem, von einer Person bearbeitet. Es werden Stellvertreter/innen für alle relevanten Aspekte des Systems ausgewählt.
Eine Erkundungsaufstellung kann daher als eine Methode bezeichnet werden,
die es ermöglichet, dass
• ein System aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann
• und Dynamiken und Entwicklungspfade des Systems sichtbar werden.
Die Erkundungsaufstellung beschreibt schwerpunktmäßig die Entwicklungen, Dynamiken und treibenden Kräfte, aus denen ein bestimmtes Systembild resultiert, ohne es mithilfe von Hypothesen und Interventionen verändern zu wollen.
Mit Erkundungsaufstellungen wird angestrebt, über die Betrachtung bestimmter Schlüsselelemente Orientierung hinsichtlich eines Systemzustandes zu generieren. Dabei sind drei Punkte zu beachten:
Kontingenz 1. Ordnung
Erstens stellen Erkundungsaufstellungen kein umfassendes Bild von Systemzuständen dar, denn ihre Funktion besteht darin, die Wahrnehmung gezielt auf einen oder mehrere bestimmte, abgegrenzte Ausschnitte der Wirklichkeit zu richten. Es werden bewusst verschiedene Elemente eingeschlossen (und andere ausgeschlossen) und in Konstellation zueinander gesetzt. Der Sinn dieser Aufstellungsarbeit besteht nicht in der Darstellung des Zustandes eines Systems als Ganzes, sondern die Funktion einer Erkundungsaufstellung liegt darin, durch die Beschäftigung mit einem bestimmten Untersuchungsraum, der abstrakt sein darf, den Fokus auf bestimmte zu interessierende Aspekte zu lenken.
Kontingenz 2. Ordnung
Zweitens ist zu beachten, dass das Aufstellungssetting, also die Auswahl und Kombination der Polaritäten und Elemente in Hinblick auf die Erkundung Konstruktionsarbeit ist. Dabei werden bewusst bestimmte Stakeholder, Kontexte und Systemkräfte als relevant erachtet bzw. vernachlässigt und diese dann wiederum unter bestimmten Annahmen und mit Erfahrungswissen in Wechselwirkung und Zusammenhang miteinander gesetzt. Ein Aufstellungssetting kann jedoch auch immer anders konstruiert werden. Annahmen über die Relevanz von Elementen für den Untersuchungsrahmen einer Erkundungsaufstellung werden dabei durch Daten, Theorien oder Aussagen eines Experten nahegelegt, erfordern jedoch fundiertes Wissen, insbesondere auch Erfahrungswissen, und sind zum anderen meist auch auf subjektiven Einschätzungen begründet. Dies kann anders sein, wenn das Aufstellungssetting für Erkundungsaufstellungen in einem gemeinschaftlichen Prozess im Vorgespräch mit einer Gruppe erstellt wird. Dann verschiebt sich die Grundlage des Aufstellungssettings mehr in Richtung einer gruppengestützten Objektivität im Sinne einer geteilten Wirklichkeit.
Explikation
Damit ist drittens verbunden, dass in jeder Erkundungsaufstellung implizite Annahmen zugrunde liegen, wie der Systemzustand aussehen könnte, wie bestimmte Elemente sich verhalten, welche Dynamiken vorherrschen, welche Entwicklungen konstant bleiben und welche sich ändern. Diese impliziten Annahmen verweisen auf umfassende mentale Modelle und Landkarten, die in der Regel auf Erfahrungswerte beruhen. Mithilfe von Erkundungsaufstellungen werden diese impliziten mentalen Landkarten veranschaulicht und können konstruktiv irritiert werden, so dass sich neue Betrachtungsweisen und Perspektiven einstellen können. Es ist dabei zu beachten, dass Erkundungsaufstellungen keinen Wahrheitsanspruch haben und somit kein objektives Wissen über die aufgestellten Systeme bereitstellen, sondern allein die hypothetische Konstruktion von möglichen Systemzuständen aufgrund von gegenwärtigem und vergangenem Wissen mit dem Einfluss von kontrollierten Irritationen einen hinreichenden Beitrag leisten, die dazu führen, dass mentalen Landkarten konstruktiv erweitert werden, so dass neue Ideen, Gedanken, Einstellungen und Lösungen bezüglich des Untersuchungsgegenstandes entstehen können.
Sein persönliches SDG 12-Ziel erkunden
Im Format einer Zielaufstellung sollen Sie in der folgenden Lektion 3 für sich die folgenden Fragen erkunden: Was ist mein Ziel in Bezug auf das SDG 12? Was steht zwischen mir und meinem Ziel. Was hält mich davon ab loszugehen? Wie gehe ich mit Hindernissen um? Was brauche ich, um einen ersten Schritt zu wagen? Diese Methode verwenden wir in Lektion 3, um ein persönliches Ziel zum SDG 12 näher zu erkunden. Hierfür werden in diesen Abschnitt einige Grundlagen zu der Methode erläutert.
Bestandteile der Zielaufstellung sind:
– das (SDG-12) Ziel,
– die Hindernisse (die verhindern, dass ich mein Ziel erreiche),
– die ungenutzten Ressourcen (die unterstützen, dass ich mein Ziel erreiche),
– der verdeckte Gewinn (der dazu beiträgt, dass der aktuelle Zustand so bleibt wie er ist; oft wird dieser Zustand auch als kostbar und wichtig empfunden),
– und „Ich“ (dieses Element steht stellvertretend für die eigene Person).
SDG 12 Ziel – Nachhaltiger Konsum
Das Wichtigste in einer Zielerkundung ist das Ziel selbst. Machen Sie sich also Gedanken darüber, was Ihr SDG 12 Ziel sein könnte, welches sich auch im Alltag umsetzen lässt. Dieses Ziel soll möglichst in einem Satz zusammengefasst werden. Beispiel: „Ich möchte mich zukünftig vegan ernähren, um einen Beitrag zum SDG 12 zu leisten.“ Dann wäre die Bezeichnung des Elements für das persönliche SDG 12 Ziel:
Vegane Ernährung.
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Hindernisse
Niemand hat ein Problem, wenn es keine Hindernisse gibt, die ihn von seinem Ziel fernhalten. Wenn die Hindernisse unüberwindlich sind, liegt kein Problem vor, sondern eine falsch gestellte Frage. Ein überwundenes Hindernis ist aber oft auch eine wichtige Erfahrung und damit meist eine mögliche Ressource. Jedes Hindernis bei jedem sinnvollen Anliegen ist daher schon als verdeckte künftige Ressource oder Helfer aufzufassen. Also: Kein Ziel ohne Hindernisse. Andernfalls wäre das Ziel schon erreicht.
Notieren Sie sich handschriftlich bis zu drei Hindernisse, die Ihrem betrachteten Ziel entgegenstehen. Wählen Sie, wenn es viele sein sollten, die drei wichtigsten. Es ist nicht erforderlich, dass die Hindernisse Ihnen alle schon inhaltlich klar sind; Sie können also auch unbekannte oder partiell unscharf gesehene Hindernisse mit einbeziehen.
Ungenutzte Ressource
Keine Zielerreichung ohne eine bisher noch ungenutzte Ressource, die oft auch zunächst verborgen ist. Wenn wir nämlich schon alle Ressourcen genutzt haben, ohne das Ziel zu erreichen, dann handelt es sich eben nicht um ein sinnvolles Ziel, sondern um eine prinzipiell unlösbare Aufgabe. Etwas als Zielerreichung für das SDG 12 in Erwägung zu ziehen heißt, dass wir schon akzeptiert haben, dass nicht alle zur Verfügung stehenden Ressourcen ausgeschöpft sind.
Verdeckter Gewinn
Dieser Teil ist der geheimnisvollste für jedes Ziel und einer der wichtigsten. Wird er nämlich bei der Lösung nicht berücksichtigt, so garantiert er in der Regel einen Rückfall in den alten Status quo. Wir nennen diesen Teil den verdeckten Gewinn. Ihn ohne äußere Hilfe herauszufinden ist nicht immer möglich. Gelingt die Identifikation des verdeckten Gewinns und sind wir uns der Notwendigkeit bewusst, die positive Funktion dieses an sich zunächst hinderlichen Teils zu würdigen, sowie bereit, einen Teil seines Nutzens als Preis zu zahlen - dann sind wir dem Ziel wirklich einen entscheidenden Schritt nähergekommen.
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„Ich“ (oder auch meine Position im System)
Niemand hat ein Problem, der nirgends hinwill. Wenn jemand nicht möchte, dass es sich etwas ändert, wo wäre dann das Ziel? Das ist nicht derselbe Fall wie der, wenn jemand möchte, dass sich nichts ändert - bekanntlich ist viel Arbeit erforderlich, um einen Status quo zu schützen. Wenn jemand also als Ziel angibt, dass er oder sie will, dass alles so bleibt, wie es ist, so ist sein oder ihr Ziel, dass die Gefahr gebannt wird, da sich etwas ändert. Das ist dann das Ziel, nach dem dieser Mensch strebt. Er strebt also nach der Abwehr einer Gefahr. Also: Kein Ziel ohne eine Richtung. Die Frage ist also, wo verortet man sich selbst in Bezug zu seinem Ziel.
Sie haben damit die Teile einer Zielaufstellung im Allgemeinen betrachtet. Eine Zielaufstellung ist eine Form, der von den Autoren entwickelten Systemischen Strukturaufstellungen. Die Bestandteile jeder Problemstruktur haben wir dabei aus der "Grammatik" (im Sinne des späten Wittgenstein) des Worts „Problem" entwickelt. Schon die Klärung der Anteile des Problems, die Sie gerade durchgeführt haben, erweist sich oft als wesentlicher Teil des Lösungsprozesses.
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