Kurs: Der menschengemachte Klimawandel: Ursachen, Effekte und Lösungswege | OnCourse UB

  • Lektion 6

    • Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen

      Einstieg

      Die Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen sind die schwierigsten Entscheidungen, die Menschen treffen müssen. Es müssen heute Mittel investiert werden, die morgen für andere eine positive Wirkung entfalten sollen. 

      Dieser Typus von Entscheidungen wird heute unter dem Stichwort der intergenerativen Gerechtigkeit neu thematisiert: Was muss die derzeit lebende Generation tun, um die humanen Lebensbedingungen für die nachfolgenden Generationen zu erhalten? Um diese Frage ist eine breite, durchaus auch ethisch bezogene Diskussion entstanden. 

      Wir wollen uns diesen Entscheidungstyp nun näher anschauen und mit einem Beispiel starten.

      Beispiel: Denkmalschutz

      Bislang war es eher Aufgabe des Staates, solche Entscheidungen zu treffen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Denkmalschutz, der dem Schutz von Kulturdenkmälern und kulturhistorisch relevanten Gesamtanlagen dient: Denkmäler sollen dauerhaft erhalten und nicht verfälscht, beschädigt, beeinträchtigt oder zerstört und als Kulturgüter dauerhaft gesichert werden. Die rechtliche Definition und die Rahmenbedingungen für den Denkmalschutz werden durch das Denkmalrecht festgelegt. Damit müssen heute erhebliche Mittel investiert und Handlungsbeschränkungen hingenommen werden, um nachfolgenden Generationen die Entwicklung der Kulturen gegenständlich vermitteln zu können. Was der Denkmalschutz national regelt, wird durch die UNESCO-Weltkulturerberegelung global bewirkt.

      Beispiel: Hochwasserschutzregelungen

      Wie auch bei den Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen wird dem Individuum bei den Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen keine eigenständige Wahl gelassen, ob er zukünftige Wirkungen erzeugen will: Sie werden gesetzlich erzwungen! Ähnlich ist es bei den Hochwasserschutzregelungen, die an der Grenze zwischen den Jetzt-für-dann-Entscheidungstypen liegen. Derzeit lebende und nachfolgende Generationen sollen vor den zerstörerischen Wirkungen von Überflutungen bewahrt werden. Für die Planung von Hochwasserschutz ist im Allgemeinen das 100-jährliche Wiederkehrintervall maßgebend; das heißt, es wird auf ein Hochwasserereignis hin geschützt, welches im statistischen Mittel alle 100 Jahre wiederkommt - das Jahrhunderthochwasser. Dafür muss unter den heutigen Klimabedingungen viel Geld in die Anlagen investiert werden, da mittlerweile Jahrhunderthochwasser häufiger als einmal im Jahrhundert vorkommen.



      Nachhaltigkeitskontext


      Die weltweiten Verhandlungen zum Klimaschutz mit all ihren Schwierigkeiten verdeutlichen die Eigenarten der Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen.

      Um Klimaschutzziele zu erreichen, muss überall auf der Welt der CO2-Ausstoß durch Verringerung des Verbrauchs von fossilen Energieträgern deutlich reduziert werden. Damit ist ein sehr teurer technologischer Wandel verbunden. Das Geld für diesen Wandel muss die derzeit lebende Generation in der Form von privaten oder staatlichen Investitionen aufbringen, Geld, das dann für gegenwärtige gewünschte Zwecke fehlt. Folglich entbrennt ein globaler Verteilungskampf um die Lasten und die Klimakonferenzen der letzten Jahre enden alle mit großer Unzufriedenheit engagierter Klimaschützer:innen: Die Bereitschaft vor allem der reichen Nationen auf gegenwärtig ertragreiche, aber klimaschädliche Technologien zu verzichten und in neue Technologien zu investieren, ist nicht hoch aufgrund der Umverteilungswirkungen, die dadurch ausgelöst werden.

      Dieser Problemtyp der Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidung ist natürlich nicht neu, seine Anwendung kam aber bislang eher selten vor.

      Natürlich kann man sich hier private Waldbesitzer:innen vorstellen, die ihren Wald laufend aufforsten, damit ihre Enkel:innen und Urenkel:innen in 80-100 Jahren weiterhin vom Ertrag des Waldes leben können. Auch die Eltern, die eine Ausbildungsversicherung für ihre Kinder abschließen, treffen eine Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidung. Gleichwohl haben diese Entscheidungsanlässe nicht so eine Brisanz, weil die Anderen, für die diese Entscheidungen getroffen werden, Teil der eigenen Familie sind. Bekanntlich ist im Familiensystem die Bereitschaft zu teilen sehr ausgeprägt. Deswegen behaupten auch viele Familienunternehmen von sich, dass sie nachhaltige, also langfristig wirkende Entscheidungen treffen können. Schließlich geht es um das Einkommen der Kinder und Kindeskinder.

      Die gesamte Nachhaltigkeitsdebatte lässt sich als eine Aufforderung verstehen, die Langzeitwirkungen unseres heutigen Ressourcenverbrauchs in den Blick zu nehmen und eine Wirtschaftsweise zu entwickeln, die dauerhaft ein humanes Leben für möglichst viele Menschen auf diesem Planeten Erde ermöglicht. Der jetzige Ressourcenverbrauch ist jedoch weder im Raum (intragenerativ) noch in der Zeit (intergenerativ) verallgemeinerbar. Wir leben auf Kosten der Zukunft und sind sehr ungeübt darin, Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen zu treffen. Zum Begründungsmangel für eine Handlungsalternative, zum Mangel an gesicherten Kausalitäten tritt nun noch ein Mangel an globalem Horizont und verursacht erhebliche Abwägungsprobleme über die Verwendung der heute verfügbaren Mittel: Wie viele der heute verfügbaren Ressourcen wollen wir nutzen oder sollten wir eben nicht nutzen, um nachfolgenden Generationen lebenswerte Bedingungen in der ökonomischen, der ökologischen und der sozialen Dimension zu schaffen?

    • Design der Entscheidungen

      Die kritischste Phase dieses Entscheidungstyps ist sicherlich die Problemdefinition: Wird es überhaupt als Problem oder Herausforderung definiert, die allgemeinen Lebensgrundlagen der kommenden Generationen durch einen eigenen Beitrag zu sichern? Generationengerechtigkeit ist ein Anspruch, der sehr schwer an einzelwirtschaftliches Verhalten anzudocken ist (Müller-Christ, G. (2007a) Nachhaltigkeit ist die Ursache, Generationengerechtigkeit die Wirkung. Wie aber lautet der verbindende Frame? In: Aßländer, M./Suchanek, A./Ulshöfer, G. (Hrsg): Generationengerechtigkeit als Aufgabe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. München und Mehring 2007, S. 21-40). 

      Vor allem die Menschen und Institutionen, die ihr Verhalten in den Kontext globaler Wirkungen stellen und sich somit als Teil eines größeren Ganzen definieren können, haben ein Motiv für Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen.

      Reflexion

      Bevor Sie weiterlesen: Wie, denken Sie, kann bei diesem Entscheidungstyp mit dem Begründungsmangel umgegangen werden? Wie rechtfertigt ein Unternehmen Investitionen in einen guten Zweck, der weit in der Zukunft aller Mitarbeitenden liegt und der jetzt Einschränkungen für alle bedeutet?

      Umgang mit dem Begründungsmangel