Kurs: Der menschengemachte Klimawandel: Ursachen, Effekte und Lösungswege | OnCourse UB

  • Lektion 4

    • Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen

      Einstieg

      Jetzt-für-jetzt-für-andere Entscheidungen umfassen alle Auswahlakte, bei denen verfügbare Ressourcen eingesetzt werden, damit andere sofort oder möglichst bald eine positive Wirkung haben, diese Wirkung für die anderen aber nicht wieder direkt auf die entscheidende Person oder Institution zurückkommt. 

      Spenden sind ein gutes Beispiel dafür: Ein Teil der eigenen Ressourcen wird abgegeben, damit andere eine gewünschte Wirkung für sich erzeugen können.

      Gute Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter:innen schaffen klingt im ersten Augenblick auch wie Jetzt-für-andere-Entscheidungen, sind es aber nicht, da die Arbeitsfähigkeit im Vordergrund steht – die Wirkung soll also dem Unternehmen im Umweg über die Mitarbeiter:innen zukommen.

      Jetzt-für-andere-Entscheidungen werden gerne zu Jetzt-für-jetzt-für-selbst- oder zu Jetzt-für-dann-für-selbst-Entscheidungen umgemünzt, indem langfristige positive und teilweise abstrakte Rückwirkungen auf das Unternehmen auf das Selbst vermutet oder inszeniert werden. Fast immer läuft es auf den guten Ruf hinaus: Tue Gutes und rede darüber! Diese Ummünzung hängt sicherlich damit zusammen, dass jedes Handeln letztlich final ist und gute Wirkungen immer begründet werden müssen, vor allem wenn Ressourcen verwendet werden, die nicht in der alleinigen Verfügung der Entscheider:innen stehen. 

      Corporate Giving / Corporate Volunteering 

      Klare Wirkungen für andere und nur indirekte, diffuse oder gar keine Wirkungen auf die Entscheider/innen prägen die Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen. Im Prinzip sind dies Entscheidungen, bei denen die vorhandenen Ressourcen mit anderen geteilt werden. Im betrieblichen Bereich spricht man dann von Spenden und Sponsoring oder heutzutage auch von Corporate Giving und Corporate Volunteering. Dabei geht es nicht mehr allein um die Verteilung von Geld, sondern zunehmend auch um die Verteilung von Zeit.

    • Nachhaltigkeitskontext


    • Design der Entscheidungen

      Für Unternehmen geht es bei den Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen um die Frage, in welchem Ausmaß und mit wem das Erwirtschaftete geteilt werden soll. Solche Entscheidungen sind Top-Management-Entscheidungen oder Entscheidungen der Eigentümer:innen, weil sie die Verteilungspolitik des Unternehmens ausdrücken.

      Reflexionsfrage

      Was, denken Sie, könnten die konkreten Motive für diesen Akt des Teilens sein?

      Motive für den Akt des Teilens können sein: 

      1. der Gesellschaft, die den Wertschöpfungsprozess ermöglicht hat, etwas zurückzugeben, 
      2. die Rolle eines guten Bürgers einnehmen zu wollen (Corporate Citizenship),
      3. beliebt im Umfeld sein zu wollen (der gute Unternehmer, die gute Unternehmerin, der ehrbare Kaufmann) oder 
      4. philanthropische oder religiöse Beweggründe. 

      Da die gewünschten Wirkungen im Jetzt liegen, sind die Adressaten der Wirkungen fast immer auch physisch ansprechbar und stehen sie für Aushandlungsprozesse zur Verfügung. Dies ist bei den Jetzt-für-dann-für-andere-Entscheidungen nicht so: Nachfolgende Generationen können noch keine Forderungen und Wünsche äußern.

      Die kritischen Vorfestlegungen, die im Rahmen eines Jetzt-für-andere-Entscheidungsprozesses getroffen werden müssen, finden wohl am ehesten in der Phase der Problemdefinition statt. Hier müssen die folgenden Fragen positiv beantwortet werden: 

      1. Gibt es ausreichend Ressourcen, die mit anderen geteilt werden können?
      2. Welches Motiv setzt die Bereitschaft frei, Ressourcen an andere abzugeben?
      3. Welche innere Verbundenheit der Ressourcengeber/innen gibt es zu den Wirkungen, die andere haben wollen?
      4. Wer muss das Teilen des Erwirtschafteten legitimieren?

      Fundraising-Berater:innen haben sich ganz auf die Logik der Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen eingestellt und plädieren dafür, einen stimmigen Abgleich zwischen den gewünschten Wirkungen der Mittelempfangenden mit den Motiven und dem Commitment der Mittelgebenden herbeizuführen.

      Können Unternehmen größere Ressourcenmengen für die Wirkungen anderer zur Verfügung stellen, gründen sie häufig Stiftungen, die festgelegte Wirkungen anderer fördern. Die immense Zunahme an Stiftungen in Deutschland verweist auf das Bedürfnis vieler Resourceholder (vermögende Menschen und Einrichtungen), mit ihrem Vermögen eine positive Wirkung in der Gesellschaft zu erreichen. Die zugrundeliegenden Motive sind dabei vielfältig und führen zu sehr unterschiedlichen Verteilungsprozessen.

      Die Motive für Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen müssen nicht letztbegründet werden. Damit sie aber vermittelbar sind, müssen sie deshalb gut inszeniert werden. Mit Inszenierung ist nicht Täuschung gemeint, sondern vielmehr wie im Theater eine ausgeprägte und gut gerahmte Darstellung des Inhalts: 

      Warum wird verdientes Geld dazu verwendet, anderen zu einer positiven Wirkung zu verhelfen? 

      Treffen die Eigentümer:innen des Unternehmens selbst diese Entscheidung, ist der Rechtfertigungsgrund gegenüber anderen geringer, da alle alternativen Verwendungen des Geldes auch den Eigentümer:innen direkt oder indirekt zukämen (Vermögenszuwachs). 

      Trifft ein Management Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen, reduzieren sie den Vermögenszuwachs der Eigentümer:innen und haben daher einen erhöhten Legitimierungsaufwand. Diese Verzichtsleistung lässt sich nicht unmittelbar mit positiver Rückwirkung auf das Unternehmen begründen, so dass zumeist langfristige positive Wirkungen auf den Ruf des Unternehmens geschickt inszeniert werden müssen.

      Wichtig

      Eine besonders schwierige Form der Jetzt-für-jetzt-für-andere-Entscheidungen liegt dann vor, wenn nicht vorhandene Mittel verteilt, sondern vorhandene Optionen zugunsten der Wirkungen für andere nicht realisiert werden. Unterlassungs-Handlungen wegen der Wirkungen auf andere folgen wiederum einer anderen Entscheidungslogik als die der Verteilung von Erwirtschaftetem. Dies wird schon daran deutlich, dass es unglaublich viele Gesetze gibt, die Unterlassungen zum Schutze anderer vorschreiben: Alle Arbeits-, Umwelt- und Wirtschaftsgesetze sind letztlich Schutzgesetze vor den Wirkungen der ökonomischen Effizienzlogik. Offensichtlich sind die Motive für schützende, unterlassende Handlungen andere als die für die Verteilung von Erwirtschaftetem und diese Motive scheinen nicht stark genug zu sein, auf breiter Basis rücksichtsvoll zu wirtschaften.


      Wir fassen also noch einmal zusammen: