Kurs: Systemdenken und Nachhaltigkeit in Virtual Reality | OnCourse UB
Lektion 1
Wirkung von VR-Interventionen auf Lernerfolg
Introvideo:
Lern-/Erkundungsziel
von Lektion 1:
In dieser Lektion erfahren Sie, welche empirischen Befunde es zu der Wirkungsweise von VR-Interventionen und dem anschließenden Lernerfolg/-ergebnis bereits gibt. Außerdem erhalten sie ein erstes Gefühl dafür, in welchen Kontexten und Bereichen es schon VR-Lernkonzepte gibt und in welchen sie scheinbar besonders häufig eingesetzt werden.
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Grundsätzlich können in der virtuellen Realität diverse Lernformate angeboten werden. Studierende könnten in VR genauso einer Vorlesung durch eine/n Dozent:in folgen wie in der Realität. In dieser Lektion möchten wir jedoch nicht einfach konventionelle Lernformate auf VR übertragen. Vielmehr wollen wir herausfinden, wie die Virtuelle Realität innovative Lernformate ermöglicht, die in der echten Realität kaum umzusetzen sind – also quasi VR-exklusiv sind. Zum Beispiel aufgrund einer ausgehenden Gefahr oder intensiven Ressourcennutzung des Lernszenarios.
Die Ursprünge von (wissenschaftlich begleiteten) VR-Lernszenarien liegen deutlich weiter zurück als zunächst angenommen werden mag. Bereits 1966 wurde der erste Flugsimulator mithilfe virtueller Realität von der Air Force entwickelt.
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Dies ermöglichte das Training von Piloten, ohne sie unmittelbar mit der Herausforderung der Handhabung einer echten Maschine zu konfrontieren. Somit konnten Ressourcen gespart und Gefahren minimiert werden. Dieser skizzierte Ursprung ist jedoch weit entfernt von der Technologie die uns heute zur Verfügung steht. Unser Fokus liegt auf VR-Brillen wie wir sie gegenwärtig kennen. Entsprechend sei lediglich angemerkt, dass Lernen in der virtuellen Realität kein Phänomen des technischen Fortschritts des 21. Jahrhunderts ist.
In den letzten Jahren hat das gesellschaftliche Interesse an der Technologie zugenommen, und analog dazu wächst auch in der Wissenschaft das Interesse an der Erforschung von Einsatzszenarien für das Lernen in der virtuellen Realität. Zahlreiche Studien haben bereits untersucht, in welchen (Lern-)Bereichen VR eingesetzt werden kann. Dabei lassen sich die Forschungsergebnisse grob in das Lernen von Hard Skills und Soft Skills unterteilen.
Hard Skills
Hard Skills sind konkrete, messbare Fähigkeiten, die meist mit motorischen Bewegungen oder technischem Know-How verbunden sind. Die Handhabung von chirurgischen Instrumenten in einem Operationssaal ist ein Beispiel für Hard Skills, welches im Laufe der Lektion weiter ausgeführt wird.
Soft Skills hingegen sind weniger greifbar, aber dennoch entscheidend im Bildungskontext. Dazu gehören beispielsweise Kommunikations-, Verhandlungs- und Präsentationsfähigkeiten.
Die zweidimensionale Betrachtung durch die Unterteilung in Hard Skills und Soft Skills ist zwar vereinfacht, stellt jedoch zur Anschaulichkeit den Fokus dieser Lektion dar. Zum Ende der Lektion werden zusätzliche Einsatzmöglichkeiten anekdotisch angeführt.
Um uns dem Thema zu nähern, werfen wir einen Blick auf die aktuelle wissenschaftliche Evidenz von Lernszenarien in der virtuellen Realität. Unser Augenmerk ist dazu zunächst auf den Hard Skills Bereich gerichtet. Insbesondere im medizinischen Bereich wird das Lernen in VR intensiv erforscht (Pirker & Dengel, 2021).
Ein Artikel von Sattar et al. (2020) untersuchte in diesem Kontext, inwiefern das Nutzen von Head-Mounted VR-Displays den Lernerfolg von Medizinstudierenden verbessern kann. Um einen direkten Vergleich zu ermöglichen, wurden die Studierenden, die mittels VR lernten, mit einer Kontrollgruppe verglichen. Die Kontrollgruppe lernte lediglich anhand von Text und Videobausteinen außerhalb der virtuellen Realität. Was bedeutet das konkret?
@generiert mithilfe der Midjourney-KI
Lernen wir effektiver in VR?
Obwohl die Forschenden darauf hinweisen, dass das VR-Lernszenario noch nicht vollständig ausgereift war, konnten sie zeigen, dass die Studierenden des VR-Szenarios die Nützlichkeit des Gelernten, die Benutzererfahrung, die anschließend wahrgenommene Kompetenz und die Lernmotivation im Vergleich zu video- oder textbasierten Lernszenarien als deutlich höher einschätzten. Die Studie basierte lediglich auf der subjektiven Selbsteinschätzung der Studierenden und nicht auf objektiven (Erfolgs-)Kennzahlen wie beispielsweise den Abschlussnoten des Moduls. Dennoch vermittelt sie uns einen ersten Eindruck des Potentials von Lernszenarien zu Hard Skills in der virtuellen Realität.
Soft Skills
Im Bereich der Soft-Skills kann eine Studie von Govern et al. (2020) hervorgehoben werden. Das Forschungsteam untersuchte, inwiefern die Präsentationsfähigkeiten von Studierenden durch die Verwendung von VR-Brillen verbessert werden können. Die Studierenden wurden in einen virtuellen Raum versetzt, der verschiedene Settings wie einen Seminarraum, einen Gerichtssaal, einen Sitzungssaal oder ein Bankett umfassen konnte. Dabei hatten die Studierenden die Möglichkeit, ihre Position im Raum dynamisch zu wählen, auf einem Podium zu stehen und über die Nutzung eines Mikrofons und/oder Laserpointers zu entscheiden. Gleichzeitig wurde eine Software eingesetzt, um objektive Kennzahlen zur Qualität der Präsentation zu erfassen. Diese Kennzahlen umfassten die Kategorien Blick (z.B. Ausrichtung zum Publikum), Stimme (z.B. Verwendung von Füllwörtern) und Gestik (z.B. Häufigkeit der Gestikulation). Im Anschluss erhielten die Studierenden Rückmeldungen zu den jeweiligen Kennzahlen und konnten basierend darauf ihren Präsentationsstil in der nächsten Simulation anpassen.
Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine Präsentation für ein Seminarfach üben. Anstatt sie allein auf Ihrem Bett zuhause zu wiederholen, haben Sie die Möglichkeit, dies in einem virtuellen Umfeld zu tun und gleichzeitig Feedback zu Ihrem Präsentationsstil zu erhalten. Würden Sie sich dadurch besser vorbereitet fühlen? Glauben Sie, dass sich Ihr Präsentationsstil in der realen Welt durch die Nutzung einer solchen VR-Anwendung verbessern würde?
In dieser Studie konnten die Forschenden zumindest zeigen, dass sich der Präsentationsstil der Studierenden, gemessen an den Kennzahlen, signifikant über mehrere Simulationen hinweg verbesserte.
VR in der Wissenschaft
Nun haben wir jeweils ein Beispiel für den Lernbereich der Hardskills und einen für den Bereich der Softskills kennengelernt. Es muss jedoch angemerkt werden, dass der Fokus der Forschung primär auf dem Bereich der Hardskills liegt. Ingenieure können mechanische Handgriffe erlernen, Arbeiten an Hochspannungsleitungen können simuliert werden, ohne die Lernenden in Gefahr zu bringen, und virtuelle Patienten können operiert werden, ohne dass Fehler gravierende Folgen wie bei realen Patienten haben. Dennoch, wie bereits zu Beginn erwähnt, ist die Anwendung von VR für das Lernen nicht auf diese Bereiche beschränkt.
Im Anschluss finden Sie eine Tabelle, die den aktuellen Stand der wissenschaftlich untersuchten Anwendungsfelder von VR im Hochschulbereich übersichtlich darstellt (in Anlehnung an Pirker & Dengel, 2021).
Diese Tabelle bietet lediglich einen Überblick über die diversen Felder, in denen Lernszenarien in VR untersucht werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Tabelle nicht alle aktuellen Entwicklungen abbildet, da sich ein dynamischer Bereich wie das Lernen in VR ständig weiterentwickelt. Darüber hinaus existieren im nicht-wissenschaftlichen Bereich zahlreiche weitere Szenarien, beispielsweise im Bereich beruflicher Trainings.
In dieser Lektion haben Sie einen ersten Einblick in die Ursprünge des Lernens in VR erhalten. Sie haben die Unterscheidung zwischen Soft- und Hardskills sowie zwei konkrete Anwendungsbeispiele von VR in der akademischen Lernumgebung kennengelernt. Ebenfalls haben Sie weitere Lernszenarien untersucht, welche durch die Forschung untersucht wurden.