Die Klimakrise als Teil einer multiplen Krise
Im vorigen Kapitel wurde mit Hilfe des Geosphärenkonzepts gezeigt, dass im Erdsystem verschiedene Teilsysteme in einem Wechselwirkungsverhältnis stehen. Alles hängt mit allem zusammen. Das heißt, dass eine Veränderung in einem Teilsystem zwangsläufig auch Veränderungen in allen anderen Teilsystemen hervorruft.
Durch die Intensivierung menschlicher Einflüsse in den letzten Jahrzehnten, häufig als
Global Change,
Great Acceleration oder
Anthropozän beschrieben, wird folglich auch die Dynamik aller anderen Teilsysteme beeinflusst. Innerhalb der Geologie und weiteren Wissenschaften wird diskutiert, ob die stabile Epoche des Holozän durch anthropogene Eingriffe beendet wurde und eine neue, instabile Epoche – das Anthropozän - begonnen hat (vgl. Kap. 2).
Das Anthropozän-Konzept ist nach wie vor umstritten. Weitgehend unbestritten ist jedoch, dass wir uns aus anthropozentrischer Perspektive in einem kontinuierlich wachsenden und niemals zuvor dagewesenen Krisenszenario befinden.
Vertiefung
Die Klimakrise wird dabei von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen als Teil eines größeren Krisenkomplexes beschrieben. Seit einigen Jahren ist angesichts von mehreren zeitgleich ablaufenden, sich teils gegenseitig verstärkenden Krisen häufig von einer multiplen Krise die Rede. Der Begriff der multiplen Krise stammt aus den Wirtschaftswissenschaften und wurde seit der Weltwirtschaftskrise 2007 popularisiert. Der Begriff wird heute in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen verwendet und schließt neben ökonomischen Krisen (z. B. Finanzkrise) auch ökologische (z. B. Klimakrise), soziale (z. B. Hungerkrise) und politische (z. B. Demokratiekrise) mit ein.
Eine Gefahr ist, dass im Dauerkrisenmodus „der Wald vor lauter Bäumen“ nicht mehr gesehen wird. Dabei ist es gerade bei komplexen, undurchsichtigen Vielfachkrisen wichtig, „kühlen Kopf“ zu bewahren und sich auf einzelne Teilbereiche und zentrale Fragestellungen zu
fokussieren. Einige strukturierende Leitfragen könnten beispielsweise lauten „Welche Krise ist am dringlichsten?“, „Wie weit sind einzelne Krisen bereits fortgeschritten?“, „In welchen Bereichen haben wir sichere Handlungsspielräume bereits verlassen und was bedeutet das?“ und vor allem „Was können wir tun?“.