Die United Nations Conference on Sustainable Development (UNCSD) im Jahr 2012 in Rio de Janeiro (in Anspielung auf die Rio-Konferenz 1992 oft auch als Rio+20 bezeichnet) markierte einen weiteren Meilenstein in der globalen Diskussion über eine nachhaltige Entwicklung. Auf dieser Veranstaltung wurde beschlossen, umfassendere Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu formulieren: die Sustainable Development Goals (SDGs). Diese neuen Ziele sollten möglichst alle Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung berücksichtigen und auf alle Länder anwendbar sein. Die MDGs waren im Gegensatz dazu primär auf ärmere Länder des Globalen Südens ausgerichtet.
Der Beschluss zur Einführung der SDGs implizierte somit, dass sie für alle Länder der Welt Gültigkeit besitzen sollten, was als Paradigmenwechsel betrachtet werden kann. In Anbetracht einer notwendigen sozial-ökologischen Transformation hin zu zukunftsfähigen Wirtschafts- & Gesellschaftssystemen machen die SDGs alle Länder der Welt zu ‚Entwicklungsländern‘, die auf globale Partnerschaften im Rahmen einer globalen Entwicklungsagenda angewiesen sind.
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Auf den Beschluss zur Formulierung der SDGs folgte ein aufwändiger und mehrstufiger Diskussions- & Verhandlungsprozess über die spezifische Ausgestaltung der Ziele. Besonders umstritten während dieser Verhandlungen war das CBDR-Prinzip. Die G 77, ein loser Zusammenschluss von 134 Staaten des Globalen Südens (Stand 2024), forderte vehement eine Ausweitung des CBDR-Prinzips auf alle Bereiche der SDGs. Im Gegensatz dazu warben insbesondere Vertreter:innen der USA und der EU dafür, das CBDR-Prinzip abzuschaffen und durch einen Shared Responsibility-Ansatz zu ersetzen. Damit wurde die Erwartung ausgedrückt, dass auch Länder wie die Volksrepublik China eine größere Verantwortung bei der Umsetzung der SDGs übernehmen würden.
Ein weiteres sensibles Thema war die Weiterverfolgung und Überprüfung der Umsetzung der SDGs. Mehrere Nichtregierungsorganisationen forderten eine Art Universal Periodic Review (UPR; wie bei der regelmäßigen Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechte durch den UN-Menschenrechtsrat) für die SDGs, während insbesondere die G 77 & russische Vertreter:innen die Verankerung verbindlicher Rechenschaftspflichten als Eingriff in ihre inneren Angelegenheiten betrachteten. Diese Diskussion verdeutlicht die Vielschichtigkeit & Komplexität der Verhandlungen, die darauf abzielten, die SDGs als umfassendes und gerechtes Rahmenwerk für die globale Entwicklung zu etablieren.
Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
Das Ergebnis des ausgedehnten Verhandlungs- & Diskussionsprozesses stellt die Agenda 2030 dar, die über die MDGs hinausgeht, indem sie nicht nur die drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung (Ökologie, Ökonomie & Soziales), sondern auch die Aspekte Frieden, internationale Zusammenarbeit und intergenerationale Gerechtigkeit umfasst. Die Themenbereiche der Agenda werden zum Teil unter den ‚5 Ps‘ zusammengefasst:
- People
- Planet
- Prosperity
- Peace
- Partnership
Innerhalb der Agenda 2030 werden die universellen Menschenrechte sowie die Forderungen der Rio-Deklaration, inklusive des CBDR-Prinzips bekräftigt. Das Kernstück der Agenda 2030 stellen die Ziele für nachhaltige Entwicklung (die SDGs) dar, die einen Katalog von 17 Zielen mit insgesamt 169 Zielvorgaben umfassen, die universell gültig und nicht nur an ärmere Länder gerichtet sind.
Ein Beispiel dafür ist das SDG 1: Keine Armut, das u. a. darauf abzielt, die extreme Einkommensarmut (definiert als der Anteil der Menschen, die mit weniger als $ 1,25 pro Tag auskommen müssen) weltweit bis zum Jahr 2030 zu beseitigen und gleichzeitig die Zahl der Menschen, die nach den jeweiligen nationalen Definitionen in relativer Armut in all ihren Dimensionen leben, zu halbieren. Auch sind die SDGs in vielen Punkten ambitionierter und differenzierter ausgestaltet als die MDGs; wie zum Beispiel im SDG 10: Weniger Ungleichheiten wobei Forderungen nach konkreten fiskal-, lohn- und sozialpolitischen Maßnahmen einhergehen.
Im Rahmen der Agenda 2030 wurden mehrere ökologische Ziele betont. Gleichzeitig wird auch ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum angestrebt, wobei zum Beispiel die pauschale Zielvorgabe einer Wirtschaftswachstumsrate von mindestens 7 % bei den am wenigsten entwickelten Länder mit den ökologischen Zielen der Agenda in Konflikt stehen kann.
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In der Gesamtbetrachtung stellt die Agenda 2030 einen bemerkenswerten politischen Kompromiss zwischen den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen dar, der trotz seiner teilweisen Widersprüchlichkeit einen wichtigen Schritt in Richtung globaler Nachhaltigkeit darstellte.
Die Umsetzung der SDGs erfordert eine Vielzahl von Maßnahmen und Mitteln, die zum Teil in den einzelnen Zielbeschreibungen spezifiziert werden. So findet sich zum Beispiel im SDG 2: Kein Hunger die Forderung nach der Abschaffung von Agrarexportsubventionen oder im SDG 12: Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion die Forderung nach der Verringerung ineffizienter Subventionen fossiler Energieträger. Jedoch sind die meisten Umsetzungsziele so allgemein formuliert, dass sich daraus nur schwer spezifische Handlungsverpflichtungen ableiten lassen. Ein Beispiel hierfür ist die Zielvorgabe 1.a des SDG 1: Keine Armut:
„Eine erhebliche Mobilisierung von Ressourcen aus einer Vielzahl von Quellen gewährleisten, einschließlich durch verbesserte Entwicklungszusammenarbeit, um den Entwicklungsländern und insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern ausreichende und berechenbare Mittel für die Umsetzung von Programmen und Politiken zur Beendigung der Armut in all ihren Dimensionen bereitzustellen“.
Referenz:
https://www.un.org/depts/german/millennium/Global-Indicator-Framework-2023-REF.pdf
Als Überprüfungsrahmen dienen eher allgemeine Prinzipien, wobei auf nationaler und subnationaler Ebene (mehr oder weniger) regelmäßig freiwillige Überprüfungen der Fortschritte bei der Umsetzung der SDGs stattfinden (sollen). Auf regionaler Ebene wurden zum Teil Peer Learning-Formate geschaffen, in denen der Austausch von praktischen Umsetzungserfahrungen ermöglicht wurde. Auf globaler Ebene ist das High-level Political Forum on Sustainable Development (HLPF) tätig, welches einen jährlichen Fortschrittsbericht des UN-Generalsekretärs bezüglich der SDGs sowie einen periodisch erscheinenden Globalen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Deutschland war eines der ersten Länder, das dem HLPF 2016 über die nationale Umsetzung der Agenda 2030 Bericht erstattet hatte.
Um die Fortschritte bei der Umsetzung der SDGs zu überprüfen, hat die Statistische Division der UN (UNSD) eine Liste universeller SDG-Indikatoren entwickelt, die 2017 von der UN-Statistikkommission (STATCOM) beschlossen wurde. Dabei wurden 232 Indikatoren festgelegt, mithilfe deren die Fortschritte bei der Zielerreichung gemessen werden sollen. Allerdings werden für einige der Indikatoren nicht regelmäßig von allen Ländern Daten erhoben. Zusätzlich ist die Messmethodik für einige Indikatoren umstritten und / oder nicht allgemein anerkannt.
Was haben die SDGs mit Deutschland zu tun?
Die Festlegung überprüfbarer Nachhaltigkeitsziele innerhalb der Agenda 2030 dient auch zur Stärkung der Rechenschaftspflicht von Regierungen. Obwohl grundsätzlich alle 17 SDGs auch für Deutschland gelten, sind nicht alle 169 Zielvorgaben aus einer Innenperspektive gleichermaßen relevant. Zum Beispiel ist die Bekämpfung der Wüstenbildung (SDG 15) innerhalb Deutschlands eher von untergeordneter Bedeutung; gleichwohl können durch den Klimawandel vermehrt auftretende Windextreme in Norddeutschland und Starkregenereignisse in Mittel- & Süddeutschland anhaltende Bodenerosion zur Folge haben, welches wiederum ein großflächiges Austrocknen von landwirtschaftlichen Flächen zur Folge haben kann. In der Zukunft kann somit auch Deutschland stärker direkt von der Wüstenbildung (im weiten Sinne) betroffen sein.
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Andere Ziele der SDGs beziehen sich jedoch auch auf den ersten Blick direkt auf die innere Situation in Deutschland, da sie sich aus den menschenrechtlichen Verpflichtungen ableiten lassen, wie etwa die Halbierung des Anteils der in relativer Armut lebenden Menschen (SDG 1) und die Verringerung des Anteils der Jugendlichen ohne Schulabschluss (SDG 4). Andere Ziele betreffen die externen Effekte der deutschen Politik und Wirtschaftssektoren, die innenpolitische Interventionen zum Beispiel in den Bereichen des Ressourcenverbrauches, der Konsum- & Produktionsmuster (SDG 12) oder der Migrationspolitik (SDG 10) erfordern. Andere Ziele umfassen außenpolitische Maßnahmen, wie die entwicklungspolitische Verpflichtung des 0,7-Prozent-Ziels, welches die deutsche Bundesregierung dazu verpflichtet, Ausgaben in der Höhe von mindestens 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für die globale Entwicklungszusammenarbeit auszugeben.
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Jede Regierung ist in der Verantwortung die allgemeinen Zielvorgaben in politische Handlungsstrategien und konkrete Zeitpläne zu übersetzen. Die SDGs dienen dabei lediglich als Minimalziele; ein Großteil der Fachexpert:innen halten es für erforderlich, dass die Regierungen über die Fortschrittsindikatoren hinausgehen.
Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie: Von der nationalen Strategie zu lokalen Maßnahmen
Mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wurden die SDGs in eine nationale Strategie überführt, die das Handeln der Bundesregierung an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten soll. Auch den Bundesländern und den Kommunen kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, da sie maßgeblich für die Umsetzung von Nachhaltigkeits- & Entwicklungspolitik auf lokaler Ebene verantwortlich sind. Erst durch sie wird politisches Nachhaltigkeitshandeln durch konkrete Projekte und Aktivitäten erleb- & sichtbar. Da eine nachhaltige Entwicklung nahezu alle Sektoren des kommunalen Handelns berührt, ist Nachhaltigkeit eine Querschnittsaufgabe, die auch im alltäglichen Verwaltungshandeln verankert sein muss.
Beispiele hierfür sind das Recht auf den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum (SDG 11), die Sicherstellung eines öffentlichen Nahverkehrs (SDG 11) und die Förderung von Bürgerbeteiligung z.B. in der Stadtplanung (SDG 11). Darüber hinaus tragen Kommunen auch eine globale Verantwortung durch Partnerschaftsinitiativen (SDG 17), um ihr Erfahrungswissen im Aufbau von z. B. demokratischen Strukturen in andere Regionen der Welt zu vermitteln (SDG 16).
Rechercheaufgabe „Nachhaltiges Handeln in Deutschland: Bewertung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“
Bewerten Sie die Wirksamkeit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Verfassen Sie Ihre Antworten als Freitext. Ihre Analyse soll auf möglichst aktuellen Daten und Einschätzungen basieren. Diese Rechercheaufgabe soll Ihnen helfen, ein tiefgreifendes Verständnis für die Komplexität und die multifaktoriellen Aspekte nachhaltigen Handelns zu entwickeln. Viel Erfolg bei der Recherche!
Wichtig: Das erfolgreiche Absolvieren der Rechercheaufgabe zu den
Hindernissen bei der Umsetzung ist erforderlich, um zur endgültigen Prüfungsleistung
zugelassen zu werden.