Kurs: Der menschengemachte Klimawandel: Ursachen, Effekte und Lösungswege | OnCourse UB

  • Lektion 5

    • Was tun? Von Climate Engineering und vielversprechenderen Möglichkeiten 


      Wer realisiert hat, wie groß und - aus anthropozentrischer Sicht - gefährlich die Eingriffe des Menschen und deren Auswirkung auf das Erdsystem, insbesondere auf die Atmosphäre, sind, wird sich zwangsläufig die Frage stellen: Was können wir tun?

      Paul Crutzen brachte kurz nach der Einführung seines Anthropozän-Konzepts einen Lösungsvorschlag in die Diskussion mit ein: Climate Engineering, das heißt große technische Eingriffe in das Erdsystem, um geochemische und biochemische Kreisläufe zu beeinflussen und dadurch die Erderhitzung zu reduzieren. Ziel kann dabei erstens die Entnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal) sein und zweitens die Erhöhung der Reflexion der einfallenden Sonnenstrahlung (Solar Radiation Management). Crutzen machte beispielsweise den Vorschlag, Schwefeldioxid in die Stratosphäre auszubringen (ähnlich wie es bei Vulkanausbrüchen der Fall ist), wodurch mehr Strahlung zurück ins All reflektiert wird. Dieser und weitere Vorschläge erwecken den Eindruck, dass Crutzen viel Vertrauen in teilweise noch gar nicht entwickelte Techniken hatte und der Effizienzlogik im Zuge der Bekämpfung der Klimakrise folgte.


      Lösungsansätze

      Die Effizienzstrategie alleine kann die Klimaerhitzung in jedem Fall nicht ausreichend verringern, darauf weist beispielsweise die aktuelle Stellungnahme der Arbeitsgruppe der Wissenschaftsakademien hin (Lapac, 2023, S. 13). Es braucht zusätzlich eine Suffizienz- und Konsistenzstrategie.

      Die Effizienzstrategie fokussiert auf die Verbesserung von Verbräuchen (weniger Energieverbrauch bei gleichem Nutzen) oder der Produktion (weniger Ressourceneinsatz) insbesondere durch technische Innovationen.

      ABER: Es braucht auch eine Veränderung von individuellen Denk- und Handlungsmustern im Zuge eines sozialen Wandels (vgl. Kap. 12). Eine Effizienzsteigerung, die nicht mit veränderten Überzeugungen einhergeht, kann auch problematische Entwicklungen hervorrufen. Darüber hinaus muss ausreichend Wissen über nicht nachhaltiges Verhalten vorhanden sein. Ein Beispiel für eine mögliche negative Entwicklung trotz technischer Weiterentwicklung: Man kauft einen sparsamen Kühlschrank, das alte Gerät läuft im Keller jedoch für alle Fälle weiter.

      Als Suffizienz wird beispielsweise bezeichnet, wenn man sich von Wohlstandsmüll und übermäßigem Konsum befreit und wenn man technische Geräte teilt und gemeinsam nutzt.

      Unter Konsistenz wird primär Kreislaufwirtschaft verstanden. Das heißt, dass kaum Müll entsteht, sondern möglichst alles wiederverwertet wird, wobei das Cradle-to-Cradle-Pinzip (geschlossene Kreisläufe, alles wird wiederverwertet) bislang kaum verwirklicht werden konnte.

      Wenn im globalen Maßstab zukünftig sowohl Konsistenz- als auch Suffizienz- und Effizienzstrategien in der Breite erfolgreich umgesetzt werden, könnte es sein, dass in einigen Jahrhunderten über Begriffe wie „Postanthropozän“ oder „Spätanthropozän“ diskutiert wird.

    • Zusammenfassung

      Eines scheint jedenfalls sicher: Das Problem der zu starken menschlichen Eingriffe in das Erdsystem und die aus anthropozentrischer Sicht einhergehenden katastrophalen Auswirkungen durch noch stärkere Eingriffe lösen zu wollen, entspricht mutmaßlich einer Logik, vor der bereits Albert Einstein (1879 – 1955) gewarnt hat: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

    • Literatur und Quellen

      • Armbruster, P., Hepp, K., Metzger, T., Ostermann, M., Stober, M., Wachter, P., & Diercke, C. (2020). Diercke - Geographie. Basisband, [Schülerband] / Autorinnen und Autoren: Peter Armbruster, Kevin Hepp, Tobias Metzger, Michael Ostermann, Dr. Matthias Stober, Petra Wachter unter Mitwirkung der Verlagsredaktion (A. Siegmund, Hrsg.; Kursstufe/Baden- Württemberg, [Ausgabe 2020], Druck A). Westermann.
      • Carson, R., Radkau, J., Auer, M., & Carson, R. (2013). Der stumme Frühling (131.-134. Tsd. der Gesamtaufl). Beck.
      • Gebhardt, H. (2016). Das „Anthropozän“—Zur Konjunktur eines Begriffs. Heidelberger Jahrbücher Online, 28-42 Seiten. https://doi.org/10.17885/HEIUP.HDJBO.23557 Hantel, M., & Haimberger, L. (2016). Grundkurs Klima. Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48193-6
      • IPCC (Hrsg.). (2023). Climate Change 2023: Synthesis report. Intergovernmental Panel on Climate Change.
      • Lapac, A. (Hrsg.). (2023). Wie wird Deutschland klimaneutral? Handlungsoptionen für Technologieumbau, Verbrauchsreduktion und Kohlenstoffmanagement: Stellungnahme. acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V.
      • Luciano, E. (2022). Is ‘Anthropocene’ a Suitable Chronostratigraphic Term? Anthropocene Science, 1(1), 29–41. https://doi.org/10.1007/s44177-022-00011-7
      • Meyer, D. E. (2022). Geofaktor Mensch: Eingriffe in die Umwelt und ihre Folgen. Springer Spektrum.
      • Ripple, W. J., Wolf, C., Gregg, J. W., Levin, K., Rockström, J., Newsome, T. M., Betts, M. G., Huq, S., Law, B. E., Kemp, L., Kalmus, P., & Lenton, T. M. (2022). World Scientists’ Warning of a Climate Emergency 2022. BioScience, 72(12), 1149–1155. https://doi.org/10.1093/biosci/biac083
      • Schlaudt, O., Bubenzer, O., Gebhardt, H., Keppler, F., Lorenzen, J., & Reents, F. (2022). Anthropozän. Heidelberg University Library. https://doi.org/10.11588/HEIDOK.00031286 Stehr, N., & Storch, H. von. (2023). Die Wissenschaft in der Gesellschaft: Klima, Klimawandel und Klimapolitik. Springer.