Einleitung
Es gibt auf gesellschaftlicher, wie auch auf individueller Ebene eine Diskrepanz zwischen dem Wissen um den Treibhauseffekt und dem daraus folgenden Handeln. Dies liegt auf gesellschaftlicher Ebene auch daran, dass es sog. gesellschaftliche „Verharrungskräfte“ gibt, deren Interesse es ist, klimagerechte Anpassungen und Veränderungen zu verhindern, da sie an dem Status Quo gut verdienen und kurzfristige über langfristige Ziele priorisieren. Es liegt sicherlich auch an der Komplexität und dem schieren Umfang der nötigen Veränderungsprozesse.
Auch auf individueller Ebene ist die Lücke zwischen Wissen und Handeln beobachtbar. Menschen steigen ins (Verbrenner-) Auto oder essen Fleisch, obwohl sie wissen (müssten), dass die Klimakrise brandgefährlich ist und diese Verhaltensweisen zur Verschärfung derselben beitragen. Und obwohl auf gesellschaftlicher Ebene der gesetzliche Rahmen für Klimaschutz gesetzt ist, scheint die Wichtigkeit des Themas eine Sache der Einstellung zu bleiben. Wie passt das zusammen? Das ist eine psychologische Frage.
1. Mangelnde Wahrnehmung der Bedrohlichkeit aufgrund der Abstraktheit und Langfristigkeit der Krise
Die Wahrnehmung der Bedrohlichkeit der Klimakrise fällt schwer, da sie keine unmittelbar spürbare Bedrohung darstellt. Unser nervliches „Alarmsystem“, erstmals untersucht von dem US-amerikanischen Physiologen Walter Cannon 1915, ist auf direkte Gefahren, wie bspw. den Angriff eines Raubtieres, eingestellt. In Tab. 1 wird herausgearbeitet, wie sich die Bedrohung der Klimakrise von einer klassischen Gefahrenlage unterscheidet.
Dabei wird deutlich, dass analytisches und abstraktes Denken eine Voraussetzung dafür sind, die Art der Bedrohlichkeit überhaupt zu erfassen. Und die Konsequenzen der Klimakrise, wie Extremwetterereignisse, die durchaus bedrohlich sind, sind „nur“ die Folgen der Krise, enthalten jedoch keine Informationen über die Art der Krise und den Umgang mit ihr.
Zudem entsteht aufgrund der Komplexität der Klimakrise eine Verantwortungsdiffusion. Es hat keine unmittelbar negativen Konsequenzen, wenn jemand dem Thema aufgrund seiner inhärenten Herausforderungen ausweichen möchten. Das heißt, niemand muss sich um das Thema Klimakrise kümmern, falls es zu unbequem erscheint. Es ist also eine leicht zugängliche und im Erleben unmittelbar angenehme Alternative, sich abzugrenzen und bagatellisierenden Informationen zu folgen.
Als Reaktion auf eine Bedrohung folgen Kampf, Flucht oder Freeze, eine Bewegungslosigkeit bei erhöhter Aufmerksamkeit, wenn Kampf oder Flucht nicht möglich sind. Bei einer direkten Auseinandersetzung mit der Klimakrise sind alle diese Reaktionen beobachtbar. Unter „Kampf“ fällt bspw. Aktivismus, u.U. ohne Rücksicht auf die eigenen Grenzen der Belastbarkeit, unter Flucht fällt das Vermeiden und Bagatellisieren, unter Freeze fällt die Überschwemmung von negativen Gefühle von bspw. Angst und Traurigkeit, Passivität und Ohnmacht.
Da die Klimakrise langsam voranschreitet, gibt es eine anhaltende Bedrohung ohne zeitliche Begrenzung. Es ist für den Organismus jedoch nicht möglich, dauerhaft in einer Kampf, Flucht oder Freeze-Reaktion zu verbleiben. Was dafür hilfreich ist, sich einerseits den bedrohlichen Fakten zu stellen und andererseits psychisch in Balance zu bleiben, darum geht es in Lektion 4 zum Thema psychische Resilienz.