Kurs: Der menschengemachte Klimawandel: Ursachen, Effekte und Lösungswege | OnCourse UB

  • Lektion 7

    • Alternative Lösungen – das Beispiel des Bedingungslosen Grundeinkommens


      Worum geht es in dieser Lektion?

      Zum gegenwärtigen Sozialmodell gibt es alternative Vorschläge. Prominent wird seit den 2000er Jahren die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert. Es setzt genau an dem bereits herausgearbeiteten Gerechtigkeits- und Kohärenzanspruch an und ist daher besonders unter dieser Perspektive interessant. Darum wollen wir uns das in dieser Lektion genauer anschauen.


    • Was ist überhaupt das Bedingungslose Grundeinkommen?

      Unter dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) wird ein monatlicher Betrag verstanden, den jede Person ohne Bedingungen erhält, ohne dass ein Bedarf besteht und eine Gegenleistung erbracht werden muss. Er wird überwiesen ohne Überprüfung der eigenen Einkommensverhältnisse oder sonstige Nachweise von Aktivitäten. Weder muss man bürgerschaftliches Engagement vorweisen noch die Pflege von Angehörigen oder Versuche, Arbeit zu finden. Auch Kinder und alte Menschen erhalten es, genauso wie Reiche. Das Grundeinkommen soll so hoch sein, dass der Lebensunterhalt gesichert und soziale Teilhabe möglich ist (siehe z.B. die Homepage der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“ sowie des Netzwerks Grundeinkommen.


      So ein Einkommen ohne Gegenleistungen und ohne Bedarfsprüfung stellt das Gegenteil des aktuellen Sozialsystems dar. Gemessen am oben beschriebenen Modell der dreifachen Reproduktion erscheint der Vorschlag dennoch bedenkenswert, denn ein BGE fördert die gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen auf mehrfache Weise, wie die Befürworter*innen betonen:

    • Grundsätzlich entspricht das BGE der Struktur der asymmetrischen Gleichwertigkeit. Es stellt also Fürsorge und Anerkennungsordnung auf ein stabiles Fundament: Fürsorge im Allgemeinen wird finanziell abgesichert und alle Tätigkeitsfelder werden gleichermaßen wertgeschätzt. Darüber hinaus wird unser Verständnis von Leistung nicht auf Erwerbsarbeitsleistungen beschränkt. Zudem erhöht es die Freiheit des Einzelnen, seinen Fähigkeiten und Interessen folgen und entsprechend eventueller Notlagen und Bedarfe Fürsorge leisten zu können. Es nimmt die Lebensvorstellungen der Individuen ernst und schafft Möglichkeiten zu ihrer Entfaltung.

      Kritik und Ausblick

      Dieser radikale Vorschlag stößt selbstredend auf erhebliche Kritik in der sozialpolitischen Forschung ebenso wie in den Parteien und bei Sozialaktivist*innen. So wird z. B. die Finanzierbarkeit infrage gestellt und die inhärente Gerechtigkeitsvorstellung einer staatlichen „Leistung ohne Gegenleistung“ kritisiert (siehe z. B. Enste 2016 oder Fischer 2018). Eine ausführliche Diskussion wäre eine weitere Lektion wert, sprengt hier jedoch den Rahmen. Weiterführend an der Idee ist in jedem Fall der Anstoß, den sie zur Herausbildung eines neuen, kohärenteren Bewährungsmythos geben könnte. Ferner und nicht zuletzt öffnet die Idee des BGE neue Horizonte für soziale Nachhaltigkeit, die nicht mit Armutsbekämpfung und neuen Vorstellungen von Gerechtigkeit allein zu bewältigen ist. Die Entstehung neuer Antworten auf die Sinnfrage erschließt auch nachhaltigere Konsummuster und Formen der Lebensführung.

    • Literatur und Quellen

      • Enste, Dominik H. (2016): Bedingungsloses Grundeinkommen. Vision, Fiktion oder Illusion? IW Policy Paper
      • Fischer, Ute (2018): Eine feministische Utopie? Grundeinkommen und Geschlechtergerechtigkeit. In C. Butterwegge & K. Rinke (Hrsg.): Grundeinkommen kontrovers. Plädoyers für und gegen ein neues Sozialmodell. Weinheim, Basel: Beltz/Juventa, S. 93–112.